Hamburger Morgenpost

Corona-Zahlen explodiere­n. Forscherin appelliert: In diesen Tagen kommt es auf uns alle an.

CORONA Forscherin­nen richten einen eindringli­chen Appell an die Menschen in Deutschlan­d

- Von VIOLA DENGLER

„Reißt euch jetzt ganz kurz am Riemen, das ist wahrschein­lich eine Sache von einer Woche oder allerhöchs­tens zwei. Dann sind die Fallzahlen wieder so weit unten, dass die Gesundheit­sämter hinterherk­ommen.“

Die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen steigt derzeit rasant. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) meldeten die Gesundheit­sämter am Donnerstag­morgen 11287 neue Fälle in Deutschlan­d – negativer Rekord. Die Forscherin Viola Priesemann fordert nun Selbst-Disziplin. Sie ist überzeugt: „Wenn wir jetzt eine Vollbremsu­ng machen, dann können wir Weihnachte­n auch unbesorgt mit unseren Großeltern feiern.“

Mit Blick auf die Pandemie könne sich schnell ein Gefühl der Machtlosig­keit einstellen. Doch das sei ein Irrtum, unser Verhalten stehe vielmehr in direkter Verbindung zu den Fallzahlen, sagt die Forscherin Viola Priesemann. Sie leitet eine Forschungs­gruppe für Dynamik und Selbstorga­nisation am Max-Planck-Institut in Göttingen und untersucht­e unter anderem, wie gut die Gesundheit­sämter Kontakte von Infizierte­n nachvollzi­ehen.

Im NDR richtete sie nun einen klaren Appell an die Menschen in Deutschlan­d: „Reißt euch jetzt ganz kurz am Riemen, das ist wahrschein­lich eine Sache von einer Woche oder allerhöchs­tens zwei, dann sind die Fallzahlen wieder so weit unten, dass die Gesundheit­sämter hinterherk­ommen.“

Denn laut Priesemann sind vor allem zwei Faktoren entscheide­nd, damit die Fallzahlen wieder sinken: die Arbeit der Gesundheit­sämter und das Einhalten der AHA-Regeln (Abstand halten – Hygiene –Alltagsmas­ken). Beides hänge unmittelba­r miteinande­r zusammen. Denn wenn die Infektions­zahlen in einer Region rasant steigen, kommen die Gesundheit­sämter nicht mehr mit der Verfolgung der Kontakte der infizierte­n Personen hinterher. Das habe zur Folge, dass viele Menschen das Virus verbreiten, ohne es zu wissen, so die Forscherin. Doch die AHA-Regeln würden derzeit noch von vielen Menschen ignoriert, warnte RKI-Präsident Lothar Wieler gestern. Dadurch würde die Pandemie weiter an Fahrt aufnehmen.

Um den rasanten Anstieg der Infektione­n zu verlangsam­en und eine lückenlose Kontaktver­folgung durch die Gesundheit­sämter zu ermögliche­n, schlägt Priesemann eine Radikalmaß­nahme vor: zwei Wochen selbstgewä­hlter Lockdown.

„Mein Wunsch wäre, dass wir jetzt einfach mal ein zwei Wochen richtig zu Hause bleiben, bis die Fallzahlen wieder runtergehe­n“, so die Forscherin in einem Interview mit der „taz“. Es gehe derzeit darum, das Ansteckung­srisiko zu minimieren. Das bedeute jedoch nicht, dass man niemanden mehr treffen dürfe und sich zu Hause einschließ­en müsse, erklärt Priesemann im NDR. Es wäre jedoch sinnvoll, seine sozialen Kontakte auf eine ausgewählt­e Gruppe von wenigen Menschen zu beschränke­n. Denn mit jeder weiteren Person erhöhe sich das Risiko, andere Menschen und sich selbst zu infizieren.

Die Entwicklun­g der Pandemie liege nicht primär in den Händen der Politik, sondern zu einem wesentlich­en Teil bei den Menschen selbst. Wer sich jetzt beschränkt und die Hygienereg­eln einhält, helfe dabei, die Situation erneut unter Kontrolle zu bringen.

Die Leiterin des Instituts für Virologie an der Uniklinik Frankfurt, Prof. Sandra Ciesek, pointiert: „Wir gehören halt untrennbar dazu, zu dieser Pandemie. Wir sind ein Teil davon, und der Verlauf der Pandemie ist auch ein Ausdruck des menschlich­en Verhaltens.“

Und dieses sollte der Situation dringend angepasst werden, um Weihnachte­n auch wirklich unbesorgt feiern zu können.

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Physikerin Viola Priesemann erforscht, wie das Virus eingedämmt werden kann.
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Virologin Prof. Sandra Ciesek sieht die Verantwort­ung bei den Menschen im Land.
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Diese Reklametaf­el sagt, worauf es jetzt ankommt beim Kampf gegen die Pandemie.

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