Hamburger Morgenpost

ENDLICH IN DER SPUR! Thioune verzaubert den HSV

Selbst Abgeschrie­bene blühen auf.

- SIMON BRAASCH simon.braasch@mopo.de

Nicht einmal Optimisten hatten damit gerechnet, dass es so geschmiert laufen würde. Nach dem Saisonauft­akt mit vier Siegen aus vier Liga-Partien, will der HSV seinen Startrekor­d morgen gegen Würzburg weiter ausbauen. Was aber macht ihn so stark? Die Antwort auf viele Fragen liefert ein Name. Daniel Thioune verpasst seiner Mannschaft einen neuen taktischen Anstrich, den man so vom HSV lange nicht kannte.

Der Appell kam zügig nach dem Abpfiff. Freudetrun­ken hatten die Profis des HSV ihr 3:0 gegen Aue quittiert, der Jubel war noch nicht abgeklunge­n, da schritt Thioune zur Tat. Bevor sie aus dem Volkspark nach Hause fuhren, wies der Trainer sein Team eindringli­ch darauf hin, dass der Blick nach vorn zu gehen habe. Voller Fokus auf den Samstag und Würzburg, so die Devise. Oder wie es Sportdirek­tor Michael Mutzel umriss: „Es flutscht nicht von allein. Hinter allem, was gerade passiert, steckt sehr viel Arbeit.“

Was bislang dabei herauskam, liest sich sehr eindrucksv­oll. Seit 58 Jahren startete der HSV nicht besser in eine Saison, sogar noch nie, seit 1963 in Deutschlan­d Profifußba­ll gespielt wird. Das Besondere: Der HSV agiert in dieser Saison in allen Mannschaft­steilen taktisch so variabel wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Anders als in der Vorsaison unter Thiounes Vorgänger

Dieter Hecking, der fast permanent auf ein 4-3-3 setzte und speziell in der Rückrunde mehrfach taktisch ausgekonte­rt wurde. Thiounes HSV ist vor allem unberechen­bar und für den Gegner verwirrend.

Es gibt sie, die kleinen Geschichte­n, die so vieles über den neuen HSV aussagen. So soll sich ein Auer Profi noch während des Spiels bei seinem Hamburger Gegenspiel­er verzweifel­t und konsternie­rt erkundigt haben, welches System der HSV da eigentlich spiele. Lösungen fand der Gegner trotzdem nicht. Und blieb chancenlos.

Dennoch: Dass der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg beim HSV schmaler als anderswo ist, wissen sie im Volkspark. Im Vergleich zur Vorsaison aber stellt Mutzel fest: „Ich habe das Gefühl, dass wir ein Stück weit besser defensiv arbeiten und alle Spieler sich etwas mehr für die Mannschaft aufopfern.“Er weiß: „Es hilft, wenn man klare Vorgaben bekommt, einen Plan hat und die Spieler diesen verstehen. Es ist eine Leistung des Trainers, dass jeder Spieler ihn umsetzt und weiß, was zu tun ist.“

Thioune verzaubert den HSV und lebt einen Hunger vor, der ansteckend ist. Der 46-Jährige, der für viele Fans als unbeschrie­benes Blatt im Sommer aus Osnabrück kam, hat nach kurzer Zeit alle überzeugt. Seine Profis vertrauen ihm. Auch die, die mal draußen sitzen. Aaron Hunt, zunächst von Jeremy Dudziak verdrängt, blüht auf. Gideon Jung, der kürzlich noch verkauft werden sollte, überzeugte gegen Aue. Khaled Narey sprüht vor Spielfreud­e. Selbst der längst abgeschrie­bene Bobby Wood offenbart ansteigend­e Form. Talente wie Manuel Wintzheime­r oder Stephan Ambrosius entwickeln sich prächtig.

Alles nur Momentaufn­ahmen? Na klar, Vorsicht ist die Mutter der Porzellank­iste. Auch in der Vorsaison startete der HSV stark, mit vier Siegen und einem Remis. „Von nichts kommt nichts“, sagt Thioune. „Wir müssen weiter sehr, sehr hart arbeiten und werden gar nichts geschenkt bekommen.“

Thioune lebt diese Devise vor, er hat den HSV verändert und taktisch neu aufgestell­t. Der bislang größte Trumpf dieser Saison, die endlich mit der Rückkehr in die Bundesliga enden soll.

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