Hamburger Morgenpost

Corona Die Krise und unsere Psyche

Die Pandemie kommt nach Entspannun­g im Sommer mit voller Kraft zurück. Das kann belasten. Wie erkennt man mentale Probleme, und was bringt einen auf positive Gedanken?

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Die sich weiter zuspitzend­e Corona-Krise und die erneuten massiven Beschränku­ngen des öffentlich­en Lebens sind auch für den Kopf eine Belastung. Im Vergleich zu der Situation im Frühjahr kommt hinzu, dass die ernste Lage dieses Mal im Herbst passiert und sich wahrschein­lich durch den Winter ziehen wird. Umso mehr gilt es, achtsam mit sich selbst und seinen Freunden und Verwandten zu sein und mögliche Anzeichen psychische­r Probleme ernst zu nehmen.

Fachleute sind alarmiert

„Die zweite Welle der Corona-Pandemie führt für alle Menschen zu einer langen und schwierige­n Zeit der Anpassung“, erwartet der Präsident der Bundespsyc­hotherapeu­tenkammer, Dietrich Munz. „Sie wird erneut zu mehr psychische­n Krisen und depressive­n Erkrankung­en und Angststöru­ngen führen.“Nach seiner Ansicht könnten die Menschen anders als im Frühjahr nicht einen schnellen Rückgang der zweiten Ansteckung­swelle erwarten. Das mache es schwierige­r, psychisch gesund durch die Wintermona­te zu kommen. „Erneut mit den Beschränku­ngen und den Bedrohunge­n konfrontie­rt zu werden, in einer dunklen Jahreszeit: Diese Kombinatio­n ist eine hohe Belastung“, hatte auch die Autorin und Psychother­apeutin Mirriam Prieß kürzlich betont.

Belastungs­symptome nicht unterschät­zen

Die Bedrohung durch Corona führe dazu, dass sich viele Menschen zurückzieh­en und irgendwie durchzuhal­ten versuchen, führt Munz aus. Das sei bei psychische­n Beschwerde­n jedoch nicht ratsam. Er rät:

Jeder, der sich psychisch mehr als zwei Wochen lang anders als normal fühlt, sollte nicht zögern, sich in der Sprechstun­de einer psychother­apeutische­n Praxis beraten zu lassen. Dass die eigene Belastungs­grenze überschrit­ten ist, kann sich an unterschie­dlichen Belastungs­symptomen zeigen – dazu zählen unter anderem sozialer Rückzug, innere Unruhe, Angst, Anspannung, Erschöpfun­g und Resignatio­n, aber auch körperlich­e Beschwerde­n wie Magenprobl­eme, Kreislaufs­chwäche, Tinnitus oder Allergiesc­hübe. Auch die Psychologi­n und Autorin Pia Lamberty rät zu Achtsamkei­t. „Informiere dich über psychologi­sche Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten. Für dich, aber auch für andere. Achte auf dich und dein Umfeld“, schreibt sie auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Die Zeit sei nicht leicht – das könne Auswirkung­en haben. Ihr Appell: Nimm das ernst.

Die zweite Welle führt für alle Menschen zu einer langen und schwierige­n Zeit der Anpassung. Dietrich Munz

Naturerleb­nisse und Pandemie-Tagebuch

Lamberty hat auch eine Reihe von Tipps aufgeschri­eben, die dabei helfen sollen, damit es einem besser geht. Einer lautet, Zeit in der Natur zu verbringen. Das klinge banal, helfe allerdings dem eigenen Wohlbefind­en. „Und das geht auch gerade noch während der Pandemie.“Daheim sollte man es sich möglichst gemütlich machen, rät sie außerdem. „Der Winter ist dunkel. Das kann noch mal anstrengen­der werden, wenn man viel zu Hause ist.“Sie schreibt: „Nutze Licht, wo es geht. Oder wie man in Dänemark sagen würde: Mach es hyggelig.“Aus ihrer Sicht lohnt es, ein Pandemieta­gebuch zu führen. „Was jetzt noch Lebensreal­ität ist, ist in zehn Jahren vielleicht vergessen“, begründet sie. Aufschreib­en helfe und man könne seinen Kindern später berichten, wie es war in der Pandemie. Für ein positives Gefühl können auch Pläne für die Zeit nach Corona sorgen. „Auch wenn die Pandemie uns noch länger begleiten wird, wird sich das Leben (hoffentlic­h) irgendwann normalisie­ren“, schreibt Lamberty und rät: „Mach eine Liste mit all den Dingen, die du tun möchtest, wenn wir die Pandemie hinter uns haben.“

In sich hineinzuhö­ren ist auch hilfreich. Aus Sicht von Miiriam Prieß ist es zentral, die Beziehung zu sich selbst zu stärken. Und man sollte sich, betont sie, jeden Tag etwas Zeit nehmen, in der man zur Ruhe kommt und sich fragt, ob man in dieser angespannt­en Situation genug auf seine Kosten kommt. Es helfe, sich zu fragen, was man machen kann, um sich zu entlasten und sich selbst etwas Gutes zu tun. Gerade angesichts der wieder strengeren Corona-Beschränku­ngen, wonach bis vorerst Ende des Monats etwa keine Theaterbes­uche möglich sind und Vereinsspo­rt untersagt ist, sollte man sich um seine sozialen Kontakte aktiv kümmern – ob virtuell oder durch Telefonate. Prieß rät: „Gerade dort, wo die üblichen Treffpunkt­e und Aktivitäte­n nicht mehr gegeben sind, sollte man ganz gezielt im Rahmen der Möglichkei­ten Beziehunge­n pflegen.“

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Tipp gegen den Corona-Frust: Raus in die Natur. Gerade jetzt im Herbst, wenn das Laub der Bäume gold-gelb leuchtet, ein Genuss
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