St. Pauli rüstet ab
Kiezklub beendet Partnerschaft mit umstrittenen US-Ausrüster, steht vor „Neuausrichtung“
Das Ende naht. Eine der lukrativsten und zugleich umstrittensten Partnerschaften in der Vereinsgeschichte des FC St. Pauli gehört bald der Vergangenheit an. Der Kiezklub wird nicht über den Sommer hinaus mit Ausrüster Under Armour (zu deutsch: unter der Rüstung) zusammenarbeiten. Das hat der Verein schon jetzt öffentlich gemacht. In welchen Trikots die Kiezkicker ab der kommenden Saison spielen werden, soll zeitnah bekannt gegeben werden.
Die Beendigung der Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen geschehe „im beiderseitigen Einvernehmen“, teilte St. Pauli am Freitag in einer kurzen Erklärung mit. Der Verein spricht von einer „erfolgreichen Partnerschaft“und „konstruktiven Zusammenarbeit“. Der Vertrag läuft nach dieser Saison aus. Vielen Fans war und ist der Deal ein Dorn im Auge.
Finanziell bedeutet das Aus für die im kommenden Sommer fünf Jahre laufende Partnerschaft einen erheblichen Verlust, den der Verein kompensieren muss: Rund eine Million Euro hat Under Armour dem Kiezklub seit Beginn der Partnerschaft 2016 dem Vernehmen nach gezahlt und nicht nur die Profis, sondern auch die Nachwuchsabteilungen mit Spiel- und Trainingskleidung ausgestattet.
Im Namen des Kiezklubs äußert sich Bernd von Geldern, Geschäftsleiter Vertrieb: „Dass wir uns gemeinsam entschieden haben, die Zusammenarbeit nicht über die Saison 2020/21 fortzuführen, liegt daran, dass sich beide Seiten durch die Lust auf Neues auszeichnen – weshalb wir ja auch 2016 zueinander gefunden haben“, so von Geldern. „Wir sehen die Zeit für eine Neuausrichtung gekommen.“
Zu dieser Neuausrichtung werde sich der Verein „zu gegebener Zeit äußern“, heißt es. An Optionen dürfte es angesichts der Bekanntheit des Kiezklubs nicht mangeln. Man darf gespannt sein, welchen Weg St. Pauli nach dem ebenso lukrativen wie konfliktreichen Kapitel Under Armour geht.
Seit der Bekanntgabe der umstrittenen Zusammenarbeit 2015 hatte es heftige Diskussionen innerhalb des Vereins und auch in der Anhängerschaft
gegeben.
Nach einem großen MOPO-Bericht im Oktober 2015 unter anderem über die Verbindungen von Under Armour zum US-Militär, die Nähe zur mächtigen amerikanischen Waffen-Lobby NRA, die Zusammenarbeit mit dem höchst umstrittenen privaten SicherheitsUnternehmen und Militärdienstleister „Academi“(ehemals Blackwater), das Sponsoring von „Athleten“, die auf martialisch-brutale Weise Großwildjagd betreiben, war das Thema auch bundesweit medial thematisiert worden.
Immer wieder hatte es Skandale gegeben, die die Partnerschaft erschütterten. So hatte Under-ArmourBoss Kevin Plank, ein bekennender Republikaner, im Februar 2017 den damals neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump als „Gewinn für dieses Land“bezeichnet. St. Pauli sah sich zu einer öffentlichen Stellungnahme genötigt.
2018 wurde zudem eine Internet-Petition gestartet mit der Forderung einer sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit mit Under Armour. Mehr als 50 000 Menschen unterzeichneten. Zugleich war die Petition ein Aufruf zum Boykott der Trikots. Er dürfte Wirkung gezeigt haben.
Im November 2018 enthüllte das „Wall Street Journal“ein skandalöses und sexistisches Geschäftsgebaren bei Under Armour. So soll es Mitarbeitern jahrelang möglich gewesen sein, Kundentermine im Stripclub zu absolvieren und als Spesen abzurechnen.
Zum jährlichen Firmenfest wurden laut des Berichts zudem gezielt besonders attraktive Mitarbeiterinnen als „Hingucker“einbestellt. Leitende Angestellte von von „UA“sollen weibliche Beschäftigte außerdem sexuell belästigt haben.
Zuletzt sorgte Under Armour vor allem wirtschaftlich für NegativSchlagzeilen. So brach der Umsatz im ersten Quartal auch Corona-bedingt um 23 Prozent auf 930 Millionen US-Dollar (860 Millionen Euro) ein, wie das US-Unternehmen mitteilte. Unterm Strich gab es einen Verlust von 490 Millionen Dollar nach einem Gewinn von 22,5 Millionen Dollar ein Jahr zuvor.
Auf MOPO-Nachfrage hatte Bernd von Geldern im Mai zu den heftigen wirtschaftlichen Turbulenzen beim Ausrüster, dessen jahrelang rasantes Wachstum zuletzt ist Stocken geraten
Wir sehen die Zeit für eine Neuausrichtung gekommen, blicken aber auf eine sehr erfolgreiche Partnerschaft zurück.
Bernd von Geldern
ist, erklärt: „Die Corona-Krise geht an keinem spurlos vorbei und sie wird uns noch länger beschäftigen. Wie die Auswirkungen am Ende im Detail aussehen werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner vorhersagen.“Jetzt haben St. Pauli und Under Armour Fakten geschaffen und Schluss gemacht. Inwiefern die Corona-Krise Grund oder Beschleuniger war, ist noch unklar. Dem Vernehmen nach soll die Trennung jedoch nicht in erster Linie ein Rückzug von Under Armour, sondern auch auf Betreiben von St. Pauli geschehen sein. Der Wunsch nach Veränderung ist offenbar groß.