Rettet dieser Test das Fest?
In Spanien sprechen sie von einem „Wunder“, Österreich will sie gleich massenhaft anwenden. Wo auch Hamburg jetzt auf die Antigen-Tests setzt:
In Madrid spricht man von einem „Wunder“, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von einem guten Instrument für Pflegeheime und Krankenhäuser und Hamburg sucht bereits mit Hochdruck Helfer für die Durchführung: Antigen-Schnelltests könnten ein Schlüssel in der Pandemie-Bekämpfung sein und uns – bis geimpft wird – ein wenig Normalität bescheren. Und das vielleicht zu Weihnachten?
Die Slowakei hat es vorgemacht, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz will jetzt nachziehen – und seine Landsleute massenhaft testen lassen. Damit wolle er ein möglichst sicheres Weihnachtsfest ermöglichen, betonte der Politiker im Interview mit ORF. Der Schlüssel: Antigen-Tests. Denn die, so Kurz, seien inzwischen millionenfach verfügbar. Das müsse man nutzen.
Bislang wurden Corona-Tests im Normalfall mit der PCR-Methode durchgeführt. Dabei wird das Erbmaterial der Viren so stark vervielfältigt, dass selbst bei sehr geringer Viruslast eine Infektion nachgewiesen werden kann. Bis das Ergebnis aus dem Labor da ist und die getestete Person informiert wird, vergehen gut und gerne 24 bis 48 Stunden.
➤ Antigen-Test: In 30 Minuten zum Corona-Testergebnis:
Sogenannte Antigen-Tests sollen Abhilfe schaffen. Sie sind günstiger und können bereits nach 15 bis 30 Minuten Ergebnisse liefern. Die Probe aus dem Nasen-Rachen-Abstrich wird auf einen Teststreifen gegeben; sollte dann das SARS-CoV-2-Virus vorhanden sein, reagieren seine Eiweißfragmente, der Streifen verfärbt sich. Das Manko: Die Antigen-Tests sind unzuverlässiger als die PCR-Testungen. Trägt man erst eine geringe Viruslast in sich, sind die Antigen-Tests anfällig für eine Negativ-Diagnose und vermitteln trügerische Sicherheit. Aber auch falsch positive Ergebnisse können sich einschleichen.
Trotzdem versprechen sich Experten und Politiker von der Testmethode Erfolge in der Pandemie-Bekämpfung. „Man kann eine Risikoreduktion erreichen“, sagte etwa Norbert Suttorp, Leiter der Infektiologie und Pneumologie an der Berliner Charité in der „Tagesschau“. Laut neuer bundesweiter Teststrategie will man mit den Antigen-Tests vor allem asymptomatische Infizierte ermitteln, die sonst unwissentlich das Virus verbreiten. Auch die Lufthansa hat einen Probelauf gestartet und testet Passagiere zwei Stunden vor dem Flug. Damit erhofft sich das Unternehmen, dass wieder mehr Menschen ins Flugzeug steigen.
Seit Kurzem drängen immer mehr Antigen-Test-Hersteller auf den Markt.
Über 100 sind bereits in Deutschland zugelassen. Bislang können Privatpersonen die Tests allerdings nicht erwerben, um den Antigen
Test verlässlich durchzuführen, wird Fachpersonal benötigt.
➤ In Madrid sprechen sie von einem „Wunder“:
Wie groß die Erfolge sind, die mit der Schnelltest-Offensive erreicht werden können, zeigt Madrid. Die Metropole meldete zwischenzeitlich dramatische Infektionsahlen, trotzdem läuft mittlerweile das gesellschaftliche Leben, mit einigen Einschränkungen, relativ normal weiter. Die Zahl der Infizierten wurden laut Angaben der Regionalregierung deutlich gesenkt. Der Grund? Seit einigen Wochen wurden die PCR-Tests merklich heruntergefahren, dafür wurde eine Testoffensive mit der Antigen-Methode gestartet. Infektionen sollen so schneller entdeckt und infizierte Personen isoliert werden. Und es funktioniert! Die Presse nennt es gar „Wunder von Madrid“.
Eine Jubelmeldung, die allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu genießen ist: Der Corona-Schock aus dem Frühjahr steckt den Spaniern noch in den Knochen, die Menschen verhalten sich deshalb ohnehin vorsichtiger. Auch fiel die Regionalregierung in der Vergangenheit mit geschönten Zahlen auf, zudem hatte man häufig Probleme mit der Nachverfolgung.
➤ Bayern hat bereits Millionen Tests geordert:
Auch Deutschland setzt zunehmend auf die Schnelltests: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat bereits 10 Millionen Antigen-Tests von der Siemens-Tochter Healthineers geordert. In Deutschland soll der Fokus der Antigen-Tests aber erst einmal auf Pflegeheimen und Krankenhäusern liegen. Auch Patienten, die in ein Krankenhaus eingeliefert werden, könnten getestet werden, und es wäre schneller klar, ob sie auf eine Covid-Station müssen oder nicht. Pro Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sollen in Deutschland 20 Tests im Monat finanziert werden.
➤ Hamburg setzt auf Qualität:
Ein Allheilmittel ist der AntigenTest jedoch nicht, dafür ist
er zu anfällig. „Die Test-Qualität muss nach wie vor hoch gehalten werden“, sagt Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. „Wir sollten jetzt nicht dahin gehen, dass wir massenhaft Schnelltests verteilen, ohne dass sie professionell durchgeführt und ausgewertet werden.“Schnelltests könnten PCR-Tests nicht ersetzen, sie dienten der Ergänzung.
➤ Österreich will auch in Schulen testen:
In Österreich, wo Kanzler Sebastian Kurz jetzt verstärkt auf die Antigen-Tests setzen möchte, erhofft man sich auch für den Schulbetrieb Erfolge. Schüler, die Kontakt zu einer infizierten Person hatten, könnten rasch Klarheit bekommen, ob sie infiziert wurden – und deutlich schneller zurück in den Schulbetrieb. Auch in Hamburg kam nach dem CoronaAusbruch an der Ida-EhreSchule die Antigen-Methode zum Einsatz.
Zumindest den Weihnachtsbesuch bei den Großeltern im Pflegeheim könnten die Antigen-Tests ermöglichen. Der Hamburger Senat sucht jetzt nach Freiwilligen, die beim Testen helfen. „Fachkräfte, die sich vorstellen können, bei der Durchführung von Schnelltests zu unterstützen, werden mit offenen Armen empfangen“, betont Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD). Sie würden eine wichtige Aufgabe für Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeeinrichtungen übernehmen.
Was Lockerungen des „Lockdown light“angeht, mahnt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hingegen weiter zu Geduld. „Es ist derzeit nicht erkennbar, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen, um die Infektionsdynamik über das bereits erzielte Maß hinaus abzubremsen Dies wäre erforderlich, um im Hinblick auf Weihnachten mit weniger Beschränkungen auszukommen“, so Tschentscher zur „Rheinischen Post“.