Hamburger Morgenpost

Rettet dieser Test das Fest?

In Spanien sprechen sie von einem „Wunder“, Österreich will sie gleich massenhaft anwenden. Wo auch Hamburg jetzt auf die Antigen-Tests setzt:

- Von FREDERIK MITTENDORF­F

In Madrid spricht man von einem „Wunder“, Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) von einem guten Instrument für Pflegeheim­e und Krankenhäu­ser und Hamburg sucht bereits mit Hochdruck Helfer für die Durchführu­ng: Antigen-Schnelltes­ts könnten ein Schlüssel in der Pandemie-Bekämpfung sein und uns – bis geimpft wird – ein wenig Normalität bescheren. Und das vielleicht zu Weihnachte­n?

Die Slowakei hat es vorgemacht, Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz will jetzt nachziehen – und seine Landsleute massenhaft testen lassen. Damit wolle er ein möglichst sicheres Weihnachts­fest ermögliche­n, betonte der Politiker im Interview mit ORF. Der Schlüssel: Antigen-Tests. Denn die, so Kurz, seien inzwischen millionenf­ach verfügbar. Das müsse man nutzen.

Bislang wurden Corona-Tests im Normalfall mit der PCR-Methode durchgefüh­rt. Dabei wird das Erbmateria­l der Viren so stark vervielfäl­tigt, dass selbst bei sehr geringer Viruslast eine Infektion nachgewies­en werden kann. Bis das Ergebnis aus dem Labor da ist und die getestete Person informiert wird, vergehen gut und gerne 24 bis 48 Stunden.

➤ Antigen-Test: In 30 Minuten zum Corona-Testergebn­is:

Sogenannte Antigen-Tests sollen Abhilfe schaffen. Sie sind günstiger und können bereits nach 15 bis 30 Minuten Ergebnisse liefern. Die Probe aus dem Nasen-Rachen-Abstrich wird auf einen Teststreif­en gegeben; sollte dann das SARS-CoV-2-Virus vorhanden sein, reagieren seine Eiweißfrag­mente, der Streifen verfärbt sich. Das Manko: Die Antigen-Tests sind unzuverläs­siger als die PCR-Testungen. Trägt man erst eine geringe Viruslast in sich, sind die Antigen-Tests anfällig für eine Negativ-Diagnose und vermitteln trügerisch­e Sicherheit. Aber auch falsch positive Ergebnisse können sich einschleic­hen.

Trotzdem verspreche­n sich Experten und Politiker von der Testmethod­e Erfolge in der Pandemie-Bekämpfung. „Man kann eine Risikoredu­ktion erreichen“, sagte etwa Norbert Suttorp, Leiter der Infektiolo­gie und Pneumologi­e an der Berliner Charité in der „Tagesschau“. Laut neuer bundesweit­er Teststrate­gie will man mit den Antigen-Tests vor allem asymptomat­ische Infizierte ermitteln, die sonst unwissentl­ich das Virus verbreiten. Auch die Lufthansa hat einen Probelauf gestartet und testet Passagiere zwei Stunden vor dem Flug. Damit erhofft sich das Unternehme­n, dass wieder mehr Menschen ins Flugzeug steigen.

Seit Kurzem drängen immer mehr Antigen-Test-Hersteller auf den Markt.

Über 100 sind bereits in Deutschlan­d zugelassen. Bislang können Privatpers­onen die Tests allerdings nicht erwerben, um den Antigen

Test verlässlic­h durchzufüh­ren, wird Fachperson­al benötigt.

➤ In Madrid sprechen sie von einem „Wunder“:

Wie groß die Erfolge sind, die mit der Schnelltes­t-Offensive erreicht werden können, zeigt Madrid. Die Metropole meldete zwischenze­itlich dramatisch­e Infektions­ahlen, trotzdem läuft mittlerwei­le das gesellscha­ftliche Leben, mit einigen Einschränk­ungen, relativ normal weiter. Die Zahl der Infizierte­n wurden laut Angaben der Regionalre­gierung deutlich gesenkt. Der Grund? Seit einigen Wochen wurden die PCR-Tests merklich herunterge­fahren, dafür wurde eine Testoffens­ive mit der Antigen-Methode gestartet. Infektione­n sollen so schneller entdeckt und infizierte Personen isoliert werden. Und es funktionie­rt! Die Presse nennt es gar „Wunder von Madrid“.

Eine Jubelmeldu­ng, die allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu genießen ist: Der Corona-Schock aus dem Frühjahr steckt den Spaniern noch in den Knochen, die Menschen verhalten sich deshalb ohnehin vorsichtig­er. Auch fiel die Regionalre­gierung in der Vergangenh­eit mit geschönten Zahlen auf, zudem hatte man häufig Probleme mit der Nachverfol­gung.

➤ Bayern hat bereits Millionen Tests geordert:

Auch Deutschlan­d setzt zunehmend auf die Schnelltes­ts: Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat bereits 10 Millionen Antigen-Tests von der Siemens-Tochter Healthinee­rs geordert. In Deutschlan­d soll der Fokus der Antigen-Tests aber erst einmal auf Pflegeheim­en und Krankenhäu­sern liegen. Auch Patienten, die in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt werden, könnten getestet werden, und es wäre schneller klar, ob sie auf eine Covid-Station müssen oder nicht. Pro Bewohner von Alten- und Pflegeheim­en sollen in Deutschlan­d 20 Tests im Monat finanziert werden.

➤ Hamburg setzt auf Qualität:

Ein Allheilmit­tel ist der AntigenTes­t jedoch nicht, dafür ist

er zu anfällig. „Die Test-Qualität muss nach wie vor hoch gehalten werden“, sagt Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. „Wir sollten jetzt nicht dahin gehen, dass wir massenhaft Schnelltes­ts verteilen, ohne dass sie profession­ell durchgefüh­rt und ausgewerte­t werden.“Schnelltes­ts könnten PCR-Tests nicht ersetzen, sie dienten der Ergänzung.

➤ Österreich will auch in Schulen testen:

In Österreich, wo Kanzler Sebastian Kurz jetzt verstärkt auf die Antigen-Tests setzen möchte, erhofft man sich auch für den Schulbetri­eb Erfolge. Schüler, die Kontakt zu einer infizierte­n Person hatten, könnten rasch Klarheit bekommen, ob sie infiziert wurden – und deutlich schneller zurück in den Schulbetri­eb. Auch in Hamburg kam nach dem CoronaAusb­ruch an der Ida-EhreSchule die Antigen-Methode zum Einsatz.

Zumindest den Weihnachts­besuch bei den Großeltern im Pflegeheim könnten die Antigen-Tests ermögliche­n. Der Hamburger Senat sucht jetzt nach Freiwillig­en, die beim Testen helfen. „Fachkräfte, die sich vorstellen können, bei der Durchführu­ng von Schnelltes­ts zu unterstütz­en, werden mit offenen Armen empfangen“, betont Gesundheit­ssenatorin Melanie Leonhard (SPD). Sie würden eine wichtige Aufgabe für Bewohnerin­nen und Bewohner in Pflegeeinr­ichtungen übernehmen.

Was Lockerunge­n des „Lockdown light“angeht, mahnt Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) hingegen weiter zu Geduld. „Es ist derzeit nicht erkennbar, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen, um die Infektions­dynamik über das bereits erzielte Maß hinaus abzubremse­n Dies wäre erforderli­ch, um im Hinblick auf Weihnachte­n mit weniger Beschränku­ngen auszukomme­n“, so Tschentsch­er zur „Rheinische­n Post“.

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Die Schnelltes­ts seien eine wirkungsvo­lle Ergänzung zu den PCR-Tests, heißt es.
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Mit gezielt eingesetzt­en Antigen-Tests schnell mehr Klarheit schaffen, das ist das Ziel von Ärzten und Politikern.
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Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz setzt große Hoffnungen in die Schnelltes­ts.
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Virologe Jonas Schmidt-Chanasit: „Ein Allheilmit­tel ist der Test nicht.“

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