Hamburger Morgenpost

Korbmacher und KI-Tüftler suchen ein neues Zuhause

ROTHENBURG­SORT In der Mundhalle können die Handwerker­innen und Künstler nicht bleiben

- Von STEFAN DÜSTERHÖFT

Es ist ein Ort, an dem Korbmacher­ei auf künstliche Intelligen­z trifft und Bootsbau auf Videoanima­tion: Die Mundhalle in Rothenburg­sort hat sich in den vergangene­n zwei Jahren zu einem gemeinscha­ftlichen Arbeitspla­tz für 70 Kreative entwickelt. Jetzt müssen sie raus – und suchen dringend einen neuen Ort, an dem sie gemeinsam arbeiten können.

Wenn Merlin Reichart über die Mundhalle spricht, gerät er ins Schwärmen: „Alle helfen sich hier gegenseiti­g, profitiere­n vom Wissen der anderen – einfach eine großartige Dynamik.“Reichart ist einer von 70 Menschen, die sich hier in den vergangene­n Jahren ein kreatives Nest gebaut haben. Handwerker­innen,

Künstler, Designerin­nen, alle zusammen. Mit der Korbflecht­erei ist hier eines der ältesten handwerkli­chen Gewerke überhaupt vertreten, ein paar Meter weiter tüftelt einer an Robotern. Altes und Neues – hier absolut kein Widerspruc­h.

Seit Februar 2019 wird die 1800 Quadratmet­er große Halle von Künstlern genutzt. „Früher war hier ein Rohrhandel drin, dann wurde das Gelände von einem Projektent­wickler gekauft, der uns die Halle zur Zwischennu­tzung überlassen hat“, erzählt Jorel Heid, der Zimmermann und Künstler ist.

Der Stadtteilr­at hielt hier seine Sitzungen ab, beim „Tag der offenen Rolltore“kamen Menschen aus der Nachbarsch­aft vorbei. „Wir haben auch viel für die soziale Integratio­n im Stadtteil getan“, sagt Heid. „Schade, dass das jetzt endet.“

Ende November läuft der

Zeitraum für die Zwischennu­tzung aus, auf dem Gelände entstehen Wohnungen. Gegen neuen Wohnraum hat hier niemand was, sagen die bisherigen Hallennutz­er. In der Verdrängun­g von Kunst und Handwerk aus dem städtische­n Raum sehen sie jedoch nicht nur ein persönlich­es Problem: „Es wird schwierige­r für die Hamburger, wenn der Klempner aus Lüneburg anreisen muss“, sagt Heid.

Die Kreativen haben eine Genossensc­haft gegründet, sind seit Monaten auf der Suche nach einer neuen Wirkungsst­ätte. Das große Ziel: weiter zusammen arbeiten zu können. „Wir sind in Gesprächen mit der Stadt und scannen natürlich auch selbst den Immobilien­markt“, sagt Paul Claussen. Doch es sei schwer, gegen „die Großen“anzukommen: Hallen, die für das Künstlerun­d Handwerker­innenkolle­ktiv interessan­t sind, kommen beispielsw­eise auch für Speditions­unternehme­n infrage.

Die Mitglieder des Kollektivs geben die Hoffnung trotzdem nicht auf: „Es wird doch irgendjema­nden in Hamburg mit einer für uns geeigneten Halle geben“, sagt Claussen. „Leute, zeigt sie uns!“

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Die insgesamt 70 Kreativen aus Kunst und Handwerk würden auch künftig gerne gemeinsam arbeiten.
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Charlotte Dabny (16), Praktikant­in bei Korbmacher Christian Kobylinski

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