Korbmacher und KI-Tüftler suchen ein neues Zuhause
ROTHENBURGSORT In der Mundhalle können die Handwerkerinnen und Künstler nicht bleiben
Es ist ein Ort, an dem Korbmacherei auf künstliche Intelligenz trifft und Bootsbau auf Videoanimation: Die Mundhalle in Rothenburgsort hat sich in den vergangenen zwei Jahren zu einem gemeinschaftlichen Arbeitsplatz für 70 Kreative entwickelt. Jetzt müssen sie raus – und suchen dringend einen neuen Ort, an dem sie gemeinsam arbeiten können.
Wenn Merlin Reichart über die Mundhalle spricht, gerät er ins Schwärmen: „Alle helfen sich hier gegenseitig, profitieren vom Wissen der anderen – einfach eine großartige Dynamik.“Reichart ist einer von 70 Menschen, die sich hier in den vergangenen Jahren ein kreatives Nest gebaut haben. Handwerkerinnen,
Künstler, Designerinnen, alle zusammen. Mit der Korbflechterei ist hier eines der ältesten handwerklichen Gewerke überhaupt vertreten, ein paar Meter weiter tüftelt einer an Robotern. Altes und Neues – hier absolut kein Widerspruch.
Seit Februar 2019 wird die 1800 Quadratmeter große Halle von Künstlern genutzt. „Früher war hier ein Rohrhandel drin, dann wurde das Gelände von einem Projektentwickler gekauft, der uns die Halle zur Zwischennutzung überlassen hat“, erzählt Jorel Heid, der Zimmermann und Künstler ist.
Der Stadtteilrat hielt hier seine Sitzungen ab, beim „Tag der offenen Rolltore“kamen Menschen aus der Nachbarschaft vorbei. „Wir haben auch viel für die soziale Integration im Stadtteil getan“, sagt Heid. „Schade, dass das jetzt endet.“
Ende November läuft der
Zeitraum für die Zwischennutzung aus, auf dem Gelände entstehen Wohnungen. Gegen neuen Wohnraum hat hier niemand was, sagen die bisherigen Hallennutzer. In der Verdrängung von Kunst und Handwerk aus dem städtischen Raum sehen sie jedoch nicht nur ein persönliches Problem: „Es wird schwieriger für die Hamburger, wenn der Klempner aus Lüneburg anreisen muss“, sagt Heid.
Die Kreativen haben eine Genossenschaft gegründet, sind seit Monaten auf der Suche nach einer neuen Wirkungsstätte. Das große Ziel: weiter zusammen arbeiten zu können. „Wir sind in Gesprächen mit der Stadt und scannen natürlich auch selbst den Immobilienmarkt“, sagt Paul Claussen. Doch es sei schwer, gegen „die Großen“anzukommen: Hallen, die für das Künstlerund Handwerkerinnenkollektiv interessant sind, kommen beispielsweise auch für Speditionsunternehmen infrage.
Die Mitglieder des Kollektivs geben die Hoffnung trotzdem nicht auf: „Es wird doch irgendjemanden in Hamburg mit einer für uns geeigneten Halle geben“, sagt Claussen. „Leute, zeigt sie uns!“