Tödlicher Klimawandel
BERICHT Immer mehr Naturkatastrophen – reiche Länder leisten zu wenig Hilfe
GENF – Der Klimawandel zerstört nicht nur unsere Lebensgrundlage, er tötet auch immer mehr Menschen: Einem aktuellen Bericht zufolge steigt die Zahl der klimabedingten Naturkatastrophen kontinuierlich an. Das Fatale: Um die Menschen davor zu schützen, bekommen die gefährdetsten Länder viel zu wenig Hilfe. Dabei wäre die durchaus bezahlbar.
Vier von fünf Naturkatastrophen weltweit sind nach einer Studie des Roten Kreuzes in den vergangenen zehn Jahren auf extremes Wetter und die Folgen der Klimakrise zurückzuführen. Dazu gehören Unwetter, Überschwemmungen und Hitzewellen. Das waren 83 Prozent aller Katastrophen, nach 76 Prozent in den zehn Jahren davor. Dabei sind seit 2010 mehr als 410 000 Menschen umgekommen, wie das Hilfswerk gestern in Genf berichtete. Hitzewellen forderten die meisten Opfer, gefolgt von Unwettern.
Neben Todesfällen verursachen Naturkatastrophen weitere Schäden: Insgesamt seien seit 2010 rund 1,7 Milliarden Menschen in Mitleidenschaft gezogen worden, viele davon mehrfach: Sie verloren Angehörige, wurden verletzt oder verloren Wohnbauten, Vieh, Felder und Lebensgrundlagen, wie es in dem Bericht heißt.
Das Tragische: Da derzeit die Corona-Pandemie die Schlagzeilen dominiert, erhalten Naturkatastrophen viel weniger Aufmerksamkeit – obwohl sie nach wie vor passieren: Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden von März bis September 2020 mehr als 50 Millionen Menschen von mehr als 100 Katastrophen
heimgesucht. Seit den 90er Jahren sei die Zahl der klima- und wetterbedingten Katastrophen in jedem Jahrzehnt um fast 35 Prozent gestiegen.
Bei allem Einsatz zur Eindämmung des Klimawandels denke die Welt zu wenig an die Bedürftigsten, kritisiert die Föderation. Von den 20 am stärksten durch den Klimawandel gefährdeten Ländern sei keines unter den 20, die pro Kopf der Bevölkerung die höchsten Zuwendungen für Klimaanpassungen erhielten, so der Bericht. Das gefährdetste Land, Somalia, stehe in der Liste der ProKopf-Empfänger auf Platz 71.
Reiche Länder, die milliardenschwere Konjunkturpakete in der CoronaPandemie schnürten, müssten dieses Versäumnis nachholen, fordert die Föderation. 50 Entwicklungsländer brauchten in den nächsten zehn Jahren 50 Milliarden Dollar (gut 42 Mrd. Euro), um sich für den Klimawandel zu wappnen. Das sei nur ein Bruchteil dessen, was etwa der Corona-Aufbauplan der EU beinhaltet: nämlich 750 Milliarden Euro.
Investiert werden müsse in Frühwarnsysteme und Programme, die den schlimmsten Folgen der Naturkatastrophen vorbeugen können. „Internationale Solidarität ist nicht nur eine moralische Verpflichtung“, sagte der Generalsekretär der Föderation, Jagan Chapagain. „Es ist auch die smarte Lösung.“Denn: „Es ist günstiger, in die Widerstandsfähigkeit der Menschen in den gefährdetsten Orten zu investieren, als steigende Kosten für humanitäre Einsätze (nach Katastrophen) zu akzeptieren.“