Hamburger Morgenpost

Hamburger Banker vor Gericht

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Vor dem Landgerich­t Bonn hat am Dienstag der zweite Strafproze­ss um die dreiste Steuerabzo­cke im Cum-ExKomplex begonnen. Im Zentrum des Millionen-Verfahrens: die Hamburger Privatbank Warburg. Angeklagt ist Christian S. (77), Vertrauter von Bank-Mitinhaber Christian Olearius. Christian S. hatte vergeblich versucht, den Prozessbeg­inn mit einem Eilantrag zu verhindern.

Er sei in gesundheit­lich schlechter Verfassung, eine Hauptverha­ndlung unter Pandemie-Bedingunge­n sei ihm nicht zuzumuten. Mit dieser Argumentat­ion zog der Angeklagte vor das Bundesverf­assungsger­icht – das seinen Eilantrag jedoch zurückwies.

Der Prozess in Bonn (Az.: 62 KLs 1/20) startete planmäßig am Dienstag mit der Verlesung der umfangreic­hen Anklage. Das Gericht ist zuständig, weil das Bundeszent­ralamt für Steuern in Bonn sitzt.

Die Staatsanwa­ltschaft Köln wirft dem Hamburger Banker vor, in der Zeit von Ende 2006 bis Ende 2013 als Generalbev­ollmächtig­ter der Warburg-Bank mit weiteren, gesondert verfolgten Komplizen 13 Fälle der besonders schweren Steuerhint­erziehung begangen zu haben. Durch so genannte Cum-Ex-Geschäfte sollen die Beteiligte­n 325 Millionen Euro an Steuergeld ergaunert haben – Geld, das die Bank sich vom Staat erstatten ließ, ohne einen Anspruch darauf gehabt zu haben.

Vereinfach­t gesagt holt eine Bank sich bei Cum-ExDeals Steuern zurück, die sie gar nicht gezahlt hat – ein Schlupfloc­h im Gesetz machte das Plündern der Staatskass­e möglich und wurde auch von Warburg gerne genutzt. Cum-Ex sprengte in ganz Europa alle

Dimensione­n von bisher bekanntem Steuerbetr­ug.

„Zeit Online“zitiert den Steuerexpe­rten Christoph Spengel von der Universitä­t Mannheim, nach dessen Berechnung­en dem deutschen Fiskus zwischen 2001 und 2016 durch Cum-Ex mindestens 31,8 Milliarden Euro entgangen seien.

Kann es sein, dass dem nun angeklagte­n Hamburger Banker nichts davon bekannt war? Christian S. stand bis zu seinem Ausscheide­n 2014 mehr als 20 Jahre lang im Dienst der Warburg-Bank, die letzten 14 Jahre war er Generalbev­ollmächtig­ter von Bankmitinh­aber Christian Olearius.

Olearius hat über seine dienstlich­en und privaten Aktivitäte­n penibel Tagebuch geführt, was nun Finanzmini­ster und Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) unter Druck bringt: In den Tagebücher­n tauchen auch Treffen des Bankchefs mit dem damaligen Ersten Bürgermeis­ter Scholz in den Jahren 2016und201­7auf.

Damals liefen bereits Ermittlung­en und der Bank drohten Rückzahlun­gen wegen Cum-Ex. Ohne die zu Unrecht kassierten Steuermill­ionen wäre das Bankhaus aber wohl pleite gewesen. Das brachten vor einigen Wochen Recherchen von „Zeit“und „NDR Panorama“ans Licht.

Hamburg ließ mögliche Steuernach­forderunge­n in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren, eine weitere Rückzahlun­g über 43 Millionen Euro wurde erst bei der Warburg-Bank eingeforde­rt, als das Bundesfina­nzminister­ium Hamburg dazu zwang. Warum die Stadt unter SPD-Führung eine Privatbank dermaßen billig davonkomme­n ließ, das soll nun ein Parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss klären.

Der Prozess vor dem Bonner Landgerich­t gegen den Olearius-Vertrauten ist bereits das zweite Verfahren im Cum-Ex-Komplex. Im März 2020 hatte das Gericht zwei britische Investment­banker wegen schwerer Steuerhint­erziehung zu Bewährungs­strafen verurteilt.

Die Oberstaats­anwältin sprach nach der Beweisaufn­ahmevom„größtenSte­uerraub der deutschen Geschichte“, bei dem die beiden Briten allerdings eher kleine Lichter waren. Im Gegensatz zur Privatbank: Warburg muss nach dem MärzVerfah­ren mit der Einziehung von 176 Millionen Euro rechnen, wie die „Frankfurte­r Allgemeine“berichtete. Das Urteil wurde von allen Beteiligte­n, auch der Warburg-Bank, angefochte­n.

Die Warburg-Anwälte hatten erklärt, dass man „nie die Absicht gehabt habe, steuerrech­tswidrige Aktiengesc­häfte zu betreiben, zu fördern oder sich an darauf ausgericht­eten Absprachen zu beteiligen“. Keinesfall­s habe die Bank Vorteile aus Aktiengesc­häften ziehen wollen, die nach Auffassung der Justiz nicht steuerrech­tskonform gewesen sein sollen.

Christian S. drohen als maximale Strafe zehn Jahre Haft. Bisher hat das Landgerich­t Bonn zehn Verhandlun­gstage bis zum 7. Januar 2021 terminiert.

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Die Privatbank M. M. Warburg wurde im Jahr 1798 in Hamburg gegründet.
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Christian Olearius führte 28 Jahre lang die Privatbank Warburg.
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Olaf Scholz soll sich als Bürgermeis­ter mit Olearius getroffen haben.
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