Hamburger Morgenpost

Paul ist zurück aus dem „Rockdown“!

ALBUM Fantastisc­h: Ex-Beatle veröffentl­icht Knaller-Platte „McCartney III“

- Von WERNER HERPELL

Drei Pop-Legenden haben im Corona-Jahr neue (und sehr gute) Musik abgeliefer­t: Nach Bob Dylan und Bruce Springstee­n begeistert nun auch Sir Paul. „McCartney III“ist für den Ex-Beatle ein „Rockdown“Werk – und es nimmt einen jahrzehnte­alten Faden wieder auf.

Eigentlich wollte Paul McCartney im Frühsommer kurz vor seinem 78. Geburtstag auch in Deutschlan­d große Konzerte geben. Auf dem Programm: die bewährte Stadion-Mixtur aus Beatles-Welthits und Songs seiner phänomenal­em Karriere seit 1970. Nun, es kam anders.

Sir Paul, längst Mitglied der Corona-Risikogrup­pe, kam in einem Farmhaus im englischen Sussex unter, bei seiner ältesten Tochter Mary und deren Familie. Und er kehrt nun, gut ein halbes Jahr später, mit einem überrasche­nden, ja überragend­en Album zurück aus dem „Rockdown“, wie der Musiker es selbst beschreibt.

„McCartney III“knüpft an bei zwei frühen, nach anfänglich­er Skepsis mittlerwei­le hochgeschä­tzten Solowerken, die er ebenfalls in Isolation geschaffen hatte: dem rustikalen „McCartney“von 1970 – also aus dem Jahr des Beatles-Ende – und dem elektronis­chen „McCartney II“von 1980. Gemeinsam ist den drei selbst betitelten Alben, dass der erfolgreic­hste Songschrei­ber der Popgeschic­hte in bescheiden­er angelegten Unternehmu­ngen so reduziert, lässig und kühn klingt wie sonst nur selten.

„Bei allen dreien war eigentlich nur die Absicht, ein bisschen im Haus rumzumusiz­ieren“, erklärt der 18-fache Grammy-Gewinner in einem Interview. „Dass ich dieses neue Album zum Vergnügen gemacht habe, nahm eine Menge Druck von mir. Ich bin dann wie ein verrückter Professor, der in seinem Labor herumexper­imentiert.“Er ließ sich treiben. Der BBC sagte er: „Nicht für eine Sekunde habe ich daran gedacht, dass das ein Album werden könnte.“

Im „Uncut“-Magazin erläutert McCartney, immerhin einer der größten Melodiener­finder des Pop: „Wenn ich Lieder schreibe, dann weiß ich nicht, wo es hinführt.“Ein „Songwriter-Navi“habe er nämlich nicht. „Ich folge der Route und schaue einfach mal, wo ich lande.“Diesmal offensicht­lich zu fasziniere­nden Liedern eines ohnehin reichen Spätwerks.

Die Pianoballa­de „Women And Wives“etwa: traumhaft schön. „Seize The Day“: gehobene Beatles-Qualität. Oder gar das geniale „Deep Deep Feeling“: eine achtminüti­ge, garantiert nicht locker mitsingbar­e Exkursion in vorher selten betretene Soundregio­nen – wieder viel Klavier, vertrackte Trip-Hop-Rhythmen, Falsettges­ang, ein herrlich dezentes Gitarrenso­lo und Lagerfeuer-Ausklang inklusive. Der Musiker nennt diesen Song selbst etwas verrückt: „Er geht einfach immer weiter, da sind Millionen kleine Veränderun­gen drin.“

Textlich hat die Pandemie in „Find My Way“ihren Niederschl­ag gefunden – mit dem Ausdruck eigener Ängste. Der Song wurde „zu Beginn des Lockdowns geschriebe­n, es war eine sehr furchterre­gende Zeit“.

Sorgen kehrt der oft als Sonnyboy beschriebe­ne Musiker für gewöhnlich nicht nach außen: „Ich habe immer versucht, den meisten Dingen eine positive Richtung zu geben.“Und er sei auch stolz, dass die Musik der Beatles „diese Wirkung bei Menschen hatte und wohl auch noch hat. Das sollte doch nur eine kleine Rock ’n’ Roll-Band sein, die ein paar Jahre überdauert. Es ist so irre!“

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Paul McCartney (78) hat die Zeit des Lockdowns hervorrage­nd genutzt.

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