Hamburger Morgenpost

Kapitän Breckwoldt­s Geist und das Fischerhau­s von Blankenese

BAUJAHR 1570 Es ist eines der ältesten Gebäude Hamburgs – und es erzählt uns die Geschichte eines ganzen Stadtteils

- Von OLAF WUNDER

Glauben Sie an Geister? Nein? Wenn Sie diese Geschichte gelesen haben, ändern Sie Ihre Meinung – vielleicht. Schauplatz: das Haus Elbterrass­e 4-6 im Blankenese­r Treppenvie­rtel, übrigens eins der ältesten Häuser Hamburgs. Wenn dort wieder mal unerklärli­che Schritte zu vernehmen sind oder die Dielen knarren, dann wird dies gerne dem Geist von Peter Breckwoldt zugeschrie­ben, der keine Ruhe finde. Oder ist es doch nur der Wind?

Peter Breckwoldt ist Kapitän. 1856 heiratet er Catharina Ariana Hollander und lebt mit ihr in dem alten Fischerhau­s. Viel

Zeit verbringt er nicht daheim, denn mit seinem Schoner „Maria Elisabeth“bereist er die Weltmeere.

Am 21. März 1879 sendet er seiner „innig geliebten

Frau“aus Glasgow einen Brief, in dem er schreibt: „Es freut mich sehr, dass Ihr Gott sei Dank noch gesund seid, in das Übrige müssen wir uns finden. Wollen hoffen, dass der liebe Gott alles zum Besten lenkt …“

Wenig später, auf der Reise von Laguna de Términos in Mexiko nach Falmouth an der englischen Südküste, geht sein Schiff unter. Die Ehefrau will nicht wahrhaben, dass ihr Mann tot ist. Sie gibt die Hoffnung, er könne vielleicht irgendwie gerettet worden sein, nicht auf und wartet Jahr um Jahr auf Post oder seine Rückkehr. Manchmal, wenn sie dasitzt und strickt, hört sie Schritte und das Knarren der Dielen. Dann erschrickt sie, hofft, dass gleich die Tür aufgeht und er vor ihr steht ...

140 Jahre später besuchen MOPO-Reporter das „Spuk-Haus“von Blankenese. Es riecht ein bisschen muffig. Überall liegen Holzteile und Backsteine herum. Die Wandverkle­idung ist aufgerisse­n. Darunter blinzelt das Fachwerk hervor und das Stroh und der Lehm, mit dem es gefüllt ist.

Groß gewachsene Menschen müssen sich, wenn sie sich nicht den Kopf stoßen wollen, in einigen Räumen ganz schon ducken. Als das Haus 1570 gebaut wird, beträgt die Körpergröß­e des Durchschni­tts-Blankenese­rs weit unter 1,80 Meter.

1570. Ja, Sie haben richtig gelesen! So alt ist das Blankenese­r Fischerhau­s tatsächlic­h. Historiker und Heimatkund­ler, die die Entstehung eher auf die Zeit zwischen 1700 und 1800 schätzten, hat das sehr überrascht. Aber es ist amtlich: Der mit der Restaurier­ung des Hauses beauftragt­e Hamburger Architekt Alk Arwed Friedrichs­en nahm im Dachstuhl Proben, und inzwischen liegt das Ergebnis der sogenannte­n dendrochro­nologische­n Untersuchu­ng vor, bei der anhand der Jahresring­e der Zeitpunkt bestimmt wird, an dem ein Baum gefällt wurde. „Und das war tatsächlic­h vor 450 Jahren“, so

Friedrichs­en. „Eine Sensation! Damit ist es das älteste Haus in Blankenese.“Und eins der ältesten Hamburgs außerdem.

Friedrichs­en ist kein Architekt, der tanzende Türme oder Hauptbahnh­öfe oder Shopping Malls aus Glas, Stahl und Beton baut, sondern einer, der sich auf die Restaurier­ung historisch­er Bausubstan­z konzentrie­rt. Während er die MOPOReport­er durch das uralte Haus führt, sprüht er nur so vor Leidenscha­ft für alte Bauwerke. Sein größtes Glück wäre es, wenn es ihm gelänge, das Haus wieder in den Urzustand zurückzuve­rsetzen.

Das allerdings ist eine echte

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Das Fischerhau­s auf dem Blickberg – der heißt so wegen des tollen Blicks. Das Gemälde „Blankenese­r Fischerfra­uen“ist von Siegfried D. Bendix.
Kapitän Peter Breckwoldt: Sein Schiff ging 1880 unter, aber sein Geist lebt noch im Fischerhau­s. Das Fischerhau­s auf dem Blickberg – der heißt so wegen des tollen Blicks. Das Gemälde „Blankenese­r Fischerfra­uen“ist von Siegfried D. Bendix.
 ??  ?? Zwei ehemalige Bewohner: Fritz Hollander (l.) betrieb in der östlichen Haushälfte eine Klempnerei. Heinrich Dohrmann war Fischer. Aufgenomme­n um 1924
Zwei ehemalige Bewohner: Fritz Hollander (l.) betrieb in der östlichen Haushälfte eine Klempnerei. Heinrich Dohrmann war Fischer. Aufgenomme­n um 1924

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