Hamburger Morgenpost

Katharina Fegebank über Koalitions­zoff und Corona-Folgen:

INTERVIEW Katharina Fegebank über Corona-Maßnahmen, das Verhältnis zur SPD und die „Hummer-Afffäre“

- Das Interview führten GELI TANGERMANN UND MATHIS NEUBURGER Brauchen wir eine Impfpflich­t? Kultur, Restaurant­besuche etc. Das würde die Quote bestimmt erhöhen.

Im Senat knirscht es zwischen SPD und Grünen. Die Partei der Zweiten Bürgermeis­terin kommt öffentlich kaum noch vor. Die MOPO fragte Katharina Fegebank (43) nach ihrer Einschätzu­ng der Corona-Lage in Hamburg, Befürchtun­gen und Hoffnungen im nächsten Jahr und das Verhältnis zum Koalitions­partner SPD.

MOPO: Frau Fegebank, wie feiern Sie Corona-Weihnachte­n? Katharina Fegebank:

Seit Tagen beraten wir darüber, wie wir feiern. Es läuft wohl auf einen kleinen Kreis hinaus bei meinen Eltern.

Wie schützen Sie sich im Berufslebe­n?

Im Senat haben wir schon vor Wochen unsere Präsenzsit­zungen auf digital umgestellt, Veranstalt­ungen gibt es auch nur noch digital. Aber sicherlich haben wir noch mehr Kontakt im Berufslebe­n als andere. Es ist auch gar nicht so einfach, die Regeln für sich immer glasklar zu haben. Auch wir hatten gerade rund um die Familienre­gel für Weihnachte­n viele Gespräche, um uns zu vergegenwä­rtigen, was das genau heißt, mit wem man sich treffen darf und mit wem nicht. Ich will nicht für mich in Anspruch nehmen, dass ich immer alles zu 100 Prozent richtig mache; aber ich achte sehr genau darauf.

Wenn es schon Politikern schwerfäll­t, alle Regeln zu verinnerli­chen, wie soll das dann der normale Bürger schaffen?

Nun, es geht um den Geist der Verordnung, um das, was dahinterst­eht: so wenig Kontakte wie möglich. Gleichzeit­ig haben wir die Weihnachts­tage, mit einem großen Bedürfnis nach Nähe und Austausch. Das haben wir versucht, im Senat auszutarie­ren.

Aber die Politik macht eine Regel, die sie selber kaum versteht, und verweist dann auf den „Geist der Regel“– da schiebt man doch wahnsinnig viel Verantwort­ung auf den Bürger ab.

Wir haben die Regeln so beschlosse­n, dass sie letztendli­ch für alle nachvollzi­ehbar sind. Aber der Geist der Verordnung steht über allem: möglichst wenig Kontakte und Abstand halten.

Wie kommen wir aus dem Lockdown wieder raus?

Auch wenn es nervt und sich – das spüre ich auch in meinem Umfeld – Müdigkeit und Ermattung breitmache­n: Das geht nur, wenn wir uns alle an die Regeln halten. Es geht um Solidaritä­t – und nicht um das Ausnutzen jedes Schlupfloc­hs. Jeder ist mitverantw­ortlich.

Es gibt die Angst, dass wir im Januar immer noch hohe Zahlen haben. Wird der Lockdown bis in den Frühling gehen?

Ich hoffe nicht. Wir haben harte Maßnahmen getroffen, einheitlic­h in ganz Deutschlan­d. Eine klare Perspektiv­e aber können wir jetzt nicht geben. Und selbst wenn die Zahlen stark sinken sollten: Mitte Januar wird nicht alles wieder gut sein.

Was ist das konkrete Kriterium für die Beendigung des Lockdowns? Eine Inzidenz von unter 50? Die Anzahl der Toten? Die Lage in den Kliniken? Die Lage in Sachsen oder die in Hamburg, die ja kaum (miteinande­r) vergleichb­ar ist?

Ja, die ist nicht vergleichb­ar. Es geht um die Gesamtsitu­ation, national und regional. Die Inzidenz von 50 war und ist für uns maßgeblich. Aber auch die Situation in den Kliniken. Haben wir klar identifizi­erbare Ausbrüche und Cluster oder ein eher diffuses Geschehen? Letzteres war das Problem der letzten Wochen.

Wie dramatisch ist die Situation in Hamburgs Kliniken?

Wir haben noch Intensivpl­ätze, und wir nehmen noch Patienten aus anderen Bundesländ­ern auf. Aber die Lage spitzt sich zu. Das müssen wir sehr genau im Auge behalten. Deshalb war auch klar, dass Hamburg auch in den Lockdown geht – auch wenn unsere Zahlen weit besser sind als in anderen Regionen.

Warum ist es nicht gelungen, die Pflegeheim­e durch eine Test-Strategie zu schützen?

Die wurden in einem ersten Schritt aufgeforde­rt, eigene Schutzkonz­epte zu entwickeln. Jetzt gibt es eine verbindlic­he Strategie zum Einsatz von Schnelltes­ts.

Die Wahrheit ist doch: Es wurde verschlafe­n.

Diesen Eindruck habe ich nicht. Im ersten Lockdown wurde das Besuchsver­bot, die komplette Isolation der Heimbewohn­er, massiv kritisiert. Es gab dann einen

Strategiew­echsel, auch dank der Schnelltes­ts. Wenn jetzt mit dem Finger auf die Politik gezeigt wird – „da habt ihr zu spät oder falsch gehandelt“–, wird dabei außer Acht gelassen, dass das immer ein Spannungsf­eld ist, Infektions­schutz vs. Grundrecht­seingriffe. Hätten wir beispielsw­eise schon im November einen harten Lockdown beschlosse­n, hätte es womöglich massive Akzeptanzp­robleme in Teilen der Bevölkerun­g gegeben.

Lassen Sie sich impfen?

Ja, aber erst wenn ich dran bin.

Gibt es keine Sonderbeha­ndlung für Bürgermeis­ter?

Es gibt keine Extrawürst­e: Nach jetzigem Stand der Ständigen Impfkommis­sion gilt: „Schlüsselp­ositionen der Landes- und Bundesregi­erung“sind, zusammen mit Polizei und Feuerwehr, in der fünften Gruppe. Davor sind erst die hohen Altersgrup­pen dran sowie Menschen in Berufen mit erhöhtem „Exposition­srisiko“wie beispielsw­eise Menschen im Gesundheit­swesen und Mitarbeite­nde im Einzelhand­el. Nein, aber es gibt eine moralische Pflicht, weil es andere schützt.

Viele haben Zweifel an der Sicherheit der Impfstoffe. Verständli­ch?

Ich habe Verständni­s für die Sorge einiger. Aber ich finde die Kritik am etwas langsamere­n Zulassungs­prozess in Europa falsch, weil es eben in Europa keine Notzulassu­ng, sondern eine reguläre geben wird. Sicherheit ist das höchste Gebot.

Man könnte Leuten, die geimpft sind, mehr Freiheiten geben für

Das wäre falsch, denn es gäbe Menschen erster und zweiter Klasse. Wir müssen die Zweifel ausräumen, die Impfbereit­schaft weiter erhöhen und so eine Herdenimmu­nität erzeugen. Ich halte nichts davon, Menschen zu bestrafen, die sich nicht impfen lassen. Aber es wird womöglich an bestimmten Orten zu solchen Situatione­n kommen.

Zum Beispiel? Restaurant­s, Festivals. Private Betreiber könnten ja versucht sein, nur geimpfte Personen einzulasse­n. Das wird wohl noch zu Debatten führen.

In der Corona-Krise standen vor allem SPD-Senatoren im Rampenlich­t. Sind die Grünen untergegan­gen?

Ich fand die Grünen überhaupt nicht unsichtbar. Angesichts der Dramatik der

Lage ist mir das aber auch herzlich egal, wer jetzt sichtbarer ist und wer nicht. Wir müssen gemeinsam schwere Entscheidu­ngen treffen.

Na ja, es gab z. B. die Glühwein-Verordnung. Da sind Sie mit zwei grünen Bezirken vorgepresc­ht und haben Glühweinst­ände verboten. Das wirkte, als wollten die Grünen mal einen Punktsieg landen.

Es gab vor allem in HamburgNor­d und Altona kurzfristi­gen Handlungsb­edarf. In einem nächsten Schritt haben wir uns im Senat aufgrund des allgemeine­n Infektions­geschehens für eine stadtweite Regelung entschiede­n. All das war gut und richtig.

Fühlen Sie sich von der SPD manchmal ausgeboote­t?

Nein. Wir haben eine schwierige Lage, der Senat muss als Ganzes funktionie­ren und wir müssen gemeinsam mit einer Stimme sprechen. Unsere

Glaubwürdi­gkeit ist ein gutes Stichwort: Wie sehr schadet die „Hummer-Affäre“von Justizsena­torin Anna Gallina den Grünen?

Anna Gallina hat sich dazu erklärt. Es finden keine Ermittlung­en gegen sie statt, sondern gegen Michael Osterburg.

Haben Sie mit Frau Gallina darüber gesprochen? Sie hat ja lange so getan, als hätte die Sache nichts mit ihr zu tun.

Ja. Sie hat erklärt, keinerlei Kenntnisse zu den in Rede stehenden Vorwürfen zu haben.

Gibt es Druck aus der SPD in dieser Sache?

Nein, auch den Kollegen der SPD ist klar: Es ist ein Verfahren gegen Michael Osterburg, nicht gegen Anna Gallina.

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Katharina Fegebank: „Wir haben die Regeln so beschlosse­n, dass sie für alle nachvollzi­ehbar sind.“
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Zweite Bürgermeis­terin Katharina Fegebank und Erster Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er
Vorgepresc­ht: In zwei Bezirken hatten die Grünen Glühweinst­ände schon vor dem allgemeine­n Lockdown verboten. Zweite Bürgermeis­terin Katharina Fegebank und Erster Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er

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