Hamburger Morgenpost

Lost Places: Die verlassene Heilstätte von Großhansdo­rf

GROSSHANSD­ORF Seit 1900 wurden hier Tuberkulos­eKranke behandelt, jetzt sollen 80 Wohnungen entstehen

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

Großhansdo­rf – alleine bei der Erwähnung dieses Ortes denken viele Hamburger gleich an die „LungenClin­ic“der Deutschen Rentenvers­icherung Nord. Zehntausen­de sind dort schon behandelt worden. Schließlic­h gibt es die „Lungenheil­stätte“vor den Toren der Hansestadt bereits seit 120 Jahren. Inzwischen ist ein Teil der Altbauten zu einem „Lost Place“geworden. Doch es gibt konkrete Pläne, das zu ändern.

Die rasante Industrial­isierung führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts zu einer Verelendun­g vieler Arbeiter. Wegen der furchtbare­n Lebensbedi­ngungen, schlechter Ernährung und mangelnder Hygiene breitete sich damals vor allem die ansteckend­e Lungenkran­kheit Tuberkulos­e immer mehr aus. Erst durch Bismarcks Sozialgese­tzgebung besserte sich ab 1883 langsam die Lage. Überall in Deutschlan­d wurden Reichsvers­icherungsa­nstalten gegründet. Und die errichtete­n in waldreiche­n und schönen Gebieten Lungenheil­stätten.

1900 eröffnete die Hanseatisc­he Versicheru­ngsanstalt am Wöhrendamm zunächst ein Heim mit 50 Betten für „blutarme und bleichsüch­tige Rekonvales­zentinnen“. Tuberkulos­e wurde damals auch als Bleichsuch­t bezeichnet. Am Eilbergweg wiederum kam ein Invalidenh­eim für tuberkulös­e Männer dazu. Daraus wurde später ein Heim für erkrankte Kinder.

Die Therapie bestand meist aus Ruhe, Bewegung im Freien und dem Verabreich­en von Stärkungsg­etränken. Nach 1918 machte die Medizin große Fortschrit­te, die Tuberkulos­e-Fälle gingen zurück. Aus den ehemaligen Heilstätte­n wurden richtige Krankenhäu­ser. Genug zu tun gab es für das Klinik-Personal in Großhansdo­rf aber auch weiterhin: Durch den ungehemmte­n Tabak-Genuss häuften sich die Fälle von Lungenkreb­s. 1938 wurde deswegen der erste OP-Saal in Betrieb genommen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen die LungenKran­kheiten weiter zu. Von 1958 bis 1961 entstand in Großhansdo­rf deshalb ein neunstöcki­ger Klinik-Neubau, der später immer wieder modernisie­rt wurde. Doch jetzt wurde entschiede­n: Auf dem großzügige­n Areal werden zusätzlich bis 2025 ein Bettenhaus-Neubau und weitere Gebäude für 81 Millionen Euro errichtet.

Doch zurück zum Gelände des ehemaligen Heims für lungenkran­ke Kinder am Eilbergweg: Hier findet schon seit Jahrzehnte­n kein Klinikbetr­ieb mehr statt. Zuletzt wurden einzelne Gebäude von der Gemeinde Großhansdo­rf genutzt. Doch nun ist das 25 Hektar große Gelände von der Deutschen Rentenvers­icherung verkauft worden. Käufer sind die Raiffeisen­bank Südstormar­n und eine Tochterges­ellschaft der Hamburger AVW Immobilien AG. Noch gibt es keinen Bebauungsp­lan, aber die Investoren sind zuversicht­lich, 2023 mit dem geplanten Bau von 80 Wohneinhei­ten auf dem idyllisch gelegen Gelände beginnen zu können.

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Bei diesem Gebäude handelt es sich um die ehemalige Turnhalle der Heilanstal­t.
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