Am Telefon: Agent gesteht Mord-Auftrag und erklärt schaurige Details
SPEKTAKULÄRER BLUFF
BERLIN – Dieses Szenario kennt man eigentlich nur aus Agentenfilmen: Das Opfer überlebt und stellt den Beinahe-Mördern eine Falle, um sie zu überführen. Doch in diesem Fall handelt es sich nicht um Fiktion: Der vergiftete Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat seine Angreifer angerufen – und ihnen ein Geständnis entlockt!
Er überführte den Attentäter selbst: Am frühen Montagmorgen vergangene Woche griff Nawalny zum Telefon und rief die mutmaßlichen Angreifer einfach an, berichtet der „Spiegel“. Es war kurz bevor das Magazin nach gemeinsamer Recherche mit den Plattformen „Bellingcat“, „The Insider“und dem USSender CNN enthüllte, dass offenbar ein Team aus mindestens acht russischen Agenten des Geheimdienstes FSB hinter dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker stecke.
Nawalny kannte bereits die Ergebnisse der Recherche – und wollte die Verdächtigen persönlich konfrontieren. Seine Anrufe schnitt er dabei mit und veröffentlichte sie unter dem Titel „Ich habe meinen Mörder angerufen. Er hat gestanden“. Zunächst wählte der Kreml-Kritiker demnach die Nummer von Michail Schwez (43). Nach den „Spiegel“-Recherchen soll er einer der acht FSB-Agenten sein, die im August an dem Giftanschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok auf den Oppositionspolitiker beteiligt waren. Nawalny gab sich als Berater von Nikolaj Patruschew, dem Chef des russischen Sicherheitsrats, aus. Doch Schwez erkannte Nawalnys Stimme.
Bei einem weiteren Verdächtigen, Alexej Alexandrow (39), gab er sich daraufhin direkt zu erkennen: „Guten Tag. Ich heiße Alexej Nawalny. Ich rufe Sie an, weil ich wissen möchte, warum Sie mich umbringen wollten.“Doch Alexandrow legte auf. Der Kreml-Kritiker versuchte es weitere Male erfolglos – bis er zu Konstantin Kudrjawzew (41) kam, Chemie-Experte beim Geheimdienst. Auch ihm sagte Nawalny, dass er für Sicherheitsratschef Patruschew das missglückte Attentat aufarbeiten müsse. Der Bericht sei für die höchste Ebene bestimmt.
Dann das Unfassbare: Kudrjawzew ging Nawalny auf den Leim! 49 Minuten sprachen die beiden Männer dem „Spiegel“-Bericht zufolge miteinander und Nawalny erfuhr einige wichtige Details. Etwa wie er vergiftet wurde: Der Nervenkampfstoff Nowitschok habe sich an der Innenseite der Unterhose befunden, so Kudrjawzew. Nawalny habe den Anschlag nur überlebt, weil der Flug nicht lange genug gedauert habe. Der Pilot hatte damals eine Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk unternommen. Eine solche „Verkettung von Ereignissen“sei „der schlimmste Faktor, der bei unserer Arbeit passieren kann“, so Kudrjawzew.
An seiner Adresse in Moskau war gestern ein großes Polizeiaufgebot, wie eine Mitarbeiterin Nawalnys bei Twitter zeigte. Aber: Eine offizielle Reaktion der russischen Behörden blieb vorerst aus. Nawalny wertete das als Schuldeingeständnis.
Guten Tag. Ich rufe Sie an, weil ich wissen möchte, warum Sie mich umbringen wollten. Alexej Nawalny zu seinem Angreifer