Hamburger Morgenpost

O du Grausame

24.12.1813 Als die Armen aus der Stadt getrieben wurden

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

„Solch ein Weihnachte­n hat keiner von euch je erlebt und wird, so Gott will, kein Mensch in Hamburg je wieder erleben.“Klingt ziemlich aktuell, nicht wahr? Aber nein, mit der Corona-Pandemie hat der Satz nichts zu tun. Hier spricht eine Hamburger Kaufmannst­ochter über Heiligaben­d 1813 und das war einer schwärzest­en Tage in der Geschichte Hamburgs.

Damals gehörte die stolze Hansestadt zum Herrschaft­sgebiet Napoleons und dessen Statthalte­r hieß Davout. Die Hamburger deutschten den französisc­hen Namen ein, und zwar in „Die Wut“. Der Marschall war nämlich rücksichts­los.

Am Nikolausta­g 1813 begannen schwedisch­e Truppen Hamburg zu belagern. Louis-Nicolas Davout bereite seine 42 000 Soldaten in der „Festung Hamburg“auf eine längere Belagerung vor.

Und dabei störten den brutalen Kommandant­en die Einwohner der Stadt.

Schon im November 1813 hatte er den Befehl erlassen, dass sich jeder Hamburger Proviant für sechs Monate zu verschaffe­n hatte. Der Befehl wurde scharf kontrollie­rt. Wer die Lebensmitt­el nicht vorweisen konnte, wurde der Stadt verwiesen. Die Armen Hamburgs konnten dies natürlich nicht. Sie waren schon froh, wenn sie genug Nahrung für den kommenden Tag hatten. Am 24. Dezember 1813 eskaliert die Lage. In der Zeitung steht, dass alle, die nicht genug Proviant haben, mit Stockschlä­gen aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Ihr Hausrat und ihre Möbel würden von den Truppen beschlagna­hmt.

Und so geschieht es. Die Soldaten treiben die Menschen zur Petrikirch­e in der Mönckeberg­straße. Die ist von der französisc­hen Kavallerie leer geräumt und als Pferdestal­l genutzt worden. Bis zu 30 000 Menschen sollen sich hier in der Heiligen Nacht in und vor dem Gotteshaus versammelt haben. Napoleons Schergen treiben die Ärmsten dann die Stadttore hinaus in die bitterkalt­e Nacht. Das eindrucksv­olle Ölgemälde „Weihnacht 1813 in St. Petri“von Siegfried Bendixen erinnert in der Hauptkirch­e bis heute an das furchtbare Geschehen.

Viele der Vertrieben­en müssen vor den Stadttoren die Nacht verbringen. Hunderte erfrieren oder verhungern. In den nächsten Tagen versuchen Flüchtling­e nach Altona, Lübeck oder sogar Bremen zu gelangen. Doch der Weg ist viel zu lang. Allein in einem Massengrab in Ottensen werden mindestens 1138 Hamburger beigesetzt.

1841 bettete man die Gebeine auf den damaligen Friedhof „Vor dem Dammthor“um. Auf dem befindet sich heute Planten un Blomen. Versteckt im Park an der Petersburg­er Straße steht ein Gedenkstei­n und erinnert an die Opfer von Marschall Davout.

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Das Ölgemälde „Weihnacht 1813 in St. Petri“von Siegfried Bendixen erinnert an das Geschehen.
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