Hamburger Morgenpost

An der „Grenze des Machbaren“

Zu viele Tote! Krematorie­n in Sachsen sind überfüllt

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Seit Wochen ist Sachsen das Land mit der gravierend­sten CoronaLage in Deutschlan­d. Nun spitzt sich die Situation dramatisch zu, vor allem in Zittau: Dort sterben so viele Menschen, dass die Bestatter an die „Grenze des Machbaren“kommen.

Es klingt wie eine Nachricht aus Bergamo oder New York zu Beginn der Pandemie: Wegen extrem hoher Todeszahle­n sind Bestatter gezwungen, Leichen außerhalb des Krematoriu­ms zwischenzu­lagern. Tatsächlic­h spielt das Ganze aber im sächsische­n Zittau. Dort sterben derzeit so viele Menschen, dass Leichen nun „im Bereich des Hochwasser­stützpunkt­s“gelagert und „bei Freigabe zur Einäscheru­ng“ins Krematoriu­m überführt werden müssen, teilte die Stadt am Dienstag mit. Am Hochwasser­stützpunkt

befindet sich eine große Halle, in der Materialie­n lagern, die im Fall eines Hochwasser­s gebraucht würden.

Besonders im Dezember explodiert­e nach Angaben der Stadt die Zahl der Toten. Während im vergangene­n Jahr im Dezember in Zittau 45 Menschen starben, waren es in diesem Monat bislang schon 115. Im November verdoppelt­e sich die Zahl der Toten von 52 im vergangene­n auf 110 in diesem Jahr.

Die Zahl der notwendige­n Einäscheru­ngen übersteige daher derzeit „mitunter die Kapazitäte­n des Zittauer Krematoriu­ms“, hieß es. Das bestätigte auch die sächsische Bestatter-Innung, deren Mitglieder nach eigenen Angaben wegen der Pandemie an der „Grenze des Machbaren“angelangt seien. „Das große Problem sind nun die Feiertage, davor haben alle Angst“, fasste Innungsobe­rmeister Tobias Wenzel die Stimmung in der Bestatterb­ranche zusammen.

Dabei arbeiten alle bereits auf Hochtouren. Das Standesamt Zittau etwa: Es werde am 24. und 26. Dezember jeweils von 9 bis 12 Uhr Sonderschi­chten arbeiten und ausschließ­lich Sterbefäll­e beurkunden, hieß es. Oberbürger­meister Thomas Zenker erklärte: „Wir sind organisato­risch an unseren Leistungsg­renzen angekommen und bitten alle Betroffene­n um Verständni­s.“

Sachsen ist seit Wochen mit Abstand der CoronaHost­spot Deutschlan­ds. Für sechs der zehn Landkreise meldete das RKI am Dienstag eine Inzidenz von mehr als 500. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen infiziert haben. An der Spitze lagen demnach am Dienstag der Landkreis Bautzen (637,5) und Zwickau (620), gefolgt vom Landkreis Görlitz (582,1), in dem Zittau liegt.

In der 25 000-EinwohnerS­tadt hatte vergangene Woche ein Arzt mit Äußerungen über eine sogenannte Triage für Aufsehen gesorgt. Der Begriff bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheide­n müssen, wem sie zuerst helfen.

Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) warnte nun: „Es wird eine dritte Welle geben.“Problemati­sch sei, dass sich diese Welle auf dem jetzigen Niveau auftürmen könnte. „Vor uns liegen die zehn härtesten Wochen der Pandemie“, so der Regierungs­chef. Die dritte Welle könnte in der Zeit vom 10. bis 15. Januar sichtbar werden.

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Auch in Sachsens Kliniken wird der Platz knapp – hier wird ein Corona-Patient deshalb nach Rostock gebracht.
Derzeit im Dauereinsa­tz: Ein Leichenwag­en holt einen Toten im Klinikum Oberlausit­zer Bergland ab. Auch in Sachsens Kliniken wird der Platz knapp – hier wird ein Corona-Patient deshalb nach Rostock gebracht.

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