Hamburger Morgenpost

Die Macht des Faktischen

- STEVEN GEYER politik@mopo.de

Minister Spahn mag recht haben, wenn er die Solidaritä­t der Geimpften mit jenen einfordert, die noch auf Immunisier­ung warten müssen. Sobald jedoch Impfmöglic­hkeiten für jedermann bestehen, wendet sich das Argument: Wenn für das Ende der Pandemie 60 bis 70 Prozent der Menschen immun sein müssen, ist es unsolidari­sch, die Impfung den anderen zu überlassen und sich auf deren Impfbereit­schaft zu verlassen.

Wie soll man es dann Betroffene­n in Pflegeheim­en, Gastronomi­e oder Eventbranc­he erklären, falls neue Ausgangssp­erren und Shutdowns nötig werden? Aussichtsr­eiche Klagen und einen Flickentep­pich an Gerichtsvo­rgaben drohen: Man kann nicht Unternehme­n aus dem Gastro-, Airline- oder Wellnessbe­reich in die Pleite schicken, weil man ihnen Spezialang­ebote für Geimpfte verbietet. Ebenso kann man kaum verhindern, dass Arbeitgebe­r nur geimpfte Angestellt­e in den Kundenkont­akt schicken. So erhöht sich zwar der Druck, sich impfen zu lassen, sofern es medizinisc­h möglich ist. Ein Impfzwang ist es dennoch nicht, sondern lediglich die Macht des Faktischen.

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