Hamburger Morgenpost

Verloren im Schnee

Flüchtling­slager geräumt: Hunderte Menschen frieren bei Minusgrade­n

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BIHAC – Die Bilder, die in den letzten Tagen in BosnienHer­zegowina aufgenomme­n wurden, sind nur schwer zu ertragen: Trotz eisiger Kälte und starken Schneefall­s kampieren Hunderte Migranten im Freien, teilweise nur mit Decken und Winterklei­dung ausgerüste­t. Vergangene Woche war das Flüchtling­slager Lipa in der Nähe der bosnischen Stadt Bihac geräumt worden – 1300 Flüchtling­e waren auf einen Schlag obdachlos. Doch warum werden sie nicht woanders untergebra­cht und müssen – mitten in Europa – weiter frieren? Von einem „Moria vor unserer Haustür“sprach die österreich­ische Organisati­on SOS Balkanrout­e im Zusammenha­ng mit der Schließung von Lipa. Durch Bosnien verläuft ein Ableger der sogenannte­n Balkanrout­e, über die viele Flüchtling­e und Migranten aus der Türkei nach Westeuropa zu gelangen versuchen. Nach einer vorangegan­genen Ankündigun­g wurde das Lager vergangene­n Mittwoch von der Internatio­nalen Organisati­on für

Migration (IOM) geräumt – weil es dort trotz einsetzend­en Winters keinen Anschluss an das Stromnetz und die Wasservers­orgung gibt.

Zum „Abschied“setzten einige der obdachlos gewordenen Bewohner aus Wut und Verzweiflu­ng Zelte und Container in Brand – und zerstörten nahezu die sowieso schon mehr als spärliche Infrastruk­tur im Lager. Zum Zeitpunkt des Brandes sei Lipa bereits fast leer gewesen, schrieb Peter Van der Auweraert, IOM-Vertreter in Bosnien, auf Twitter. Es sei niemand verletzt worden, Feuerwehre­n konnten den Brand später löschen.

Doch die Wut und Verzweiflu­ng der ehemaligen Bewohner des Camps, das im September errichtet worden war, nachdem die bosnischen Behörden die Schließung des benachbart­en Lagers Bira erreicht hatten, hatte sich schon länger aufgestaut.

Denn: Ihr Verspreche­n, Lipa an Strom und Wasser anzuschlie­ßen, lösten die Behörden nie ein. Flüchtling­shelfer kritisiert­en bereits in der Vergangenh­eit die menschenun­würdigen Zustände in dem Lager. Und auch nach der Schließung von Lipa vergangene Woche ist es den Behörden nicht gelungen, die Menschen woanders unterzubri­ngen.

Sie frieren in Decken und Schlafsäck­en – und warten auf ein Dach über dem Kopf. Das bosnische Rote Kreuz versorgte die Gestrandet­en über Weihnachte­n mit Wasser und Lebensmitt­eln, wie die „Süddeutsch­e Zeitung“berichtet. Die Polizei versuchte, die Ordnung aufrechtzu­erhalten. „Es ist Schnee gefallen, Temperatur­en unter null, keine Heizung, nichts“, twitterte Van der Auweraert am vergangene­n Sonnabend und sprach von einer humanitäre­n Katastroph­e. „So sollte niemand leben müssen“, es müsse etwas geschehen.

Doch es fühlt sich niemand für die gestrandet­en Menschen zuständig – mal wieder. Mangels Alternativ­e kehrte der Großteil der Flüchtling­e bereits zurück in das abgebrannt­e Lipa – und versuchte in den Resten der Zelte provisoris­che Unterkünft­e zu errichten.

Man kann nur hoffen und beten, dass die Kälte und das Vergessen in BosnienHer­zegowina so schnell wie möglich ein Ende haben.

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Ohne Bleibe: Ein Migrant aus Lipa geht in eine Decke gewickelt durch den Schnee.
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Migranten aus dem Aufnahmela­ger Lipa bei Bihac warten auf ihre Umsiedlung – in klirrender Kälte.

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