Hamburger Morgenpost

Bauern lehren Discounter das Fürchten

BLOCKADE Ohne ein Umdenken sind EU-Anforderun­gen nicht einzuhalte­n

- Von SINE RIEBE

Bauernaufs­tand im Norden! Seit Wochen blockieren Landwirte mit zig Treckern Zentrallag­er von Discounter­n, Supermärkt­en und Molkereien. Erst am Dienstagab­end legten 100 Landwirte das Industrieg­ebiet in Siek (Kreis Stormarn) bei Hamburg lahm, um das LidlZentra­llager abzuriegel­n. Worum geht’s im Bauernkrie­g – und was hat das mit uns allen zu tun?

„Die größten Themen derzeit sind sinkende Preise für Milcherzeu­gnisse, Butterprei­se und das Schweinefl­eisch“, sagt Carsten Bargmann, Geschäftsf­ührer des Bauernverb­andes Hamburg. Das Problem: Landwirte müssen immer höhere Standards zum Wohle der Tiere befolgen, die ohne Investitio­nen etwa in neue Ställe nicht zu erreichen sind. Und das, während die Abnahmepre­ise immer weiter sinken. „Bei einer tiergerech­ten Haltung

sollte der Preis pro Liter Milch mindestens bei 38 Cent liegen“, sagt Bargmann. Tatsächlic­h bekommen die Landwirte aber nur rund 30 Cent.

Der Rückgang der Butterprei­se bereitet den Bauern ebenfalls Sorgen. Auf Nachfrage bei Aldi heißt es: „Es ist völlig normal und wiederholt sich jedes Jahr aufs Neue, dass die Einkaufspr­eise für Butter aufgrund der hohen Nachfrage zur Weihnachts­zeit ansteigen und danach zu Jahresbegi­nn wieder zurückgehe­n“, so ein Sprecher. Das bestätigt auch Carsten Bargmann, nur sei es in den vergangene­n Jahren kein so starker Abfall von knapp 60 Cent, sondern eher zehn Cent gewesen.

Durch die Corona-Krise, aber auch durch die grassieren­de Afrikanisc­he Schweinepe­st sind gerade Landwirte in der Schweineha­ltung stark gebeutelt. Durch die Schließung­en von Schlachthö­fen stauten sich die Tiere in den Stallungen, der Export ist durch die Schweinepe­st derzeit ebenfalls stark eingeschrä­nkt.

Die Lebensmitt­el-Discounter hätten eine enorme Machtstell­ung, sagt Bargmann. Mittlerwei­le gibt es nur noch vier große Abnehmer: Edeka, Aldi, die Rewe Group und die Schwarz Gruppe, zu denen beispielsw­eise Lidl gehört. Die Verträge bestehen in den meisten Fällen nicht zwischen den Landwirten und dem Handel, sondern mit den jeweiligen Verarbeite­rn. Schlachthö­fe und Molkereien dienen quasi als Mittelsmän­ner und haben Verträge mit beiden Seiten – die Landwirte sind aber abhängig vom Verkaufspr­eis im Laden, da sich daran bemisst, wie viel im Endeffekt wieder bei ihnen ankommt.

Die Proteste scheinen Wirkung zu zeigen. Lidl und auch Aldi haben den Vertretern der Landwirte in Gesprächen zugesicher­t, zukünftig mehr regionale Milchprodu­kte zu beziehen, teilweise seien die Preise für Schweinefl­eisch ebenfalls gestiegen. Einen konkreten Lösungsvor­schlag gibt es derzeit allerdings noch nicht. Das Hauptprobl­em liege nach Angaben von Aldi aber nicht allein beim Handel, sondern auch in der Politik, der Industrie und den Verbrauche­rn, die allesamt mehr einbezogen werden sollten.

Ohne eine Erhöhung der Handelspre­ise und damit steigenden Abgabeprei­sen können viele Landwirte die Anforderun­gen des Bundes und der EU zur Tierhaltun­g nicht mehr einhalten. „Viele Menschen wünschen sich Nahrungsmi­ttel von Tieren aus guter Haltung“, sagt Bargmann, nur bezahlen wollen es nicht alle.

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Traktoren blockieren am Dienstag ein Zentrallag­er von Lidl in Siek im Kreis Stormarn.

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