Hamburger Morgenpost

Wir haben nicht mal Namen für die Schilder – das ist das Problem!

- GELI TANGERMANN chefredakt­ion@mopo.de

Keine Plätze und Straßen mehr nach Männern benennen? Da sage ich als Frau, der an Gleichbere­chtigung durchaus gelegen ist: Am Ziel vorbei, liebe Grüne! Und das gleich auf zwei Ebenen:

Erstens: Der Vorstoß ist bereits in seiner Grundidee inkonsiste­nt.

Die Initiatore­n wollen Männer dort ausschließ­en, wo über Jahrhunder­te Frauen nicht berücksich­tigt wurden. Das ist vielleicht vom Ergebnis her richtig gedacht. Weil absolut nichts dagegenspr­icht, in Zukunft mehr Frauen diese Art der Ehrung zuteilwerd­en zu lassen. Weil es unserer Gesellscha­ft guttut, starke Frauen im Alltag sichtbarer zu machen.

Der Knackpunkt ist aber, dass die

Grünen in der Radikalitä­t ihrer Forderung – dem Ausschluss einer ganzen Gesellscha­ftsgruppe – mit Ungleichbe­handlung gegen Ungleichbe­handlung ins Feld ziehen. Und damit ihren Grundgedan­ken selbst zunichtema­chen.

Zweitens: Gleichbere­chtigung? Aber gern! Für mich bedeutet das praktisch betrachtet: Männer übernehmen die Hälfte des Haushalts, stellen ihre eigenen Karrierepl­äne nicht über die ihrer Partnerin. Unternehme­n schieben Frauen, die Kinder bekommen, nicht aufs Abstellgle­is.

Klar, da hat sich schon vieles getan. Wenn ich als Führungskr­aft aber Mutter werden will, ist das auch im Jahr 2021 noch komplizier­t. Meine männlichen Chef-Kollegen haben es deutlich leichter.

Vielleicht konzentrie­ren wir uns also beim Thema Gleichbere­chtigung erst mal auf die Probleme in unserem Alltag. Denn wenn sich Frauen noch immer auf den Kopf stellen müssen, um Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen, dann haben sie von verkopften Debatten herzlich wenig.

Sorgen wir als Gesellscha­ft doch dafür, dass überhaupt genügend Frauen die Chance bekommen, sich einen Namen zu machen. Und wenn wir das geschafft haben, schreiben wir diese Namen auf Schilder. Als Beleg der echten Veränderun­g.

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