Hamburger Morgenpost

Der Milliarden­Fund im Hafen

Drogen steckten in Dosen:

- Von DANIEL GÖZÜBÜYÜK und RÜDIGER GÄRTNER

Fast jeden Monat stellen Zöllner riesige Mengen Drogen sicher, vor allem Kokain. Schon seit Jahren kommt immer mehr „Schnee“nach Hamburg, so auch die Einschätzu­ng der Ermittler. Das neueste Beispiel stützt diese Annahme: Anfang Februar wurden 16 (!) Tonnen Koks im Hafen sichergest­ellt – die größte je in Europa sichergest­ellte Menge. Der Rekordfund wirft aber auch Fragen auf. Und die Politik gerät unter Druck.

Aufgrund einer „aufwendige­n Risikoanal­yse“mehrerer europäisch­er Zollbehörd­en wurden am 12. Februar fünf Container aus Paraguay kontrollie­rt. Schon in der Röntgenanl­age in Waltershof habe es erste Anzeichen gegeben.

Und tatsächlic­h: Statt Spachtelma­sse waren in 1700 Dosen und in 20-KiloBlechk­anistern insgesamt 16 Tonnen Kokain. Zum Vergleich: Das Gewicht der sichergest­ellten Drogen entspricht in etwa dem von drei ausgewachs­enen Elefanten. Oder 14 Kleinwagen. Der Straßenver­kaufswert des Kokains: bis zu 3,5 Milliarden Euro.

„Auch weltweit gehört diese Menge zu den größten Einzelsich­erstellung­en“, gab Rene Matschke, Leiter des Zollfahndu­ngsamts Hamburg, bekannt. Er und seine Kollegen seien einiges gewohnt, sagt er, „aber das hier stellt alles bislang Dagewesene weit in den Schatten“.

Der entscheide­nde Tipp kam aus den Niederland­en: Bei einer Importfirm­a in Rotterdam waren „Unregelmäß­igkeiten“festgestel­lt worden. Der Geschäftsf­ührer, ein 28-Jähriger, wurde festgenomm­en und gilt als dringend tatverdäch­tig. Nach dem Fund in Hamburg wurden am Sonntag weitere 7200 Kilogramm Kokain in Antwerpen sichergest­ellt – der Zoll geht von derselben Bestellung aus.

Trotz des Rekordfund­es und vieler weiterer Sicherstel­lungen: Die Preise bleiben trotz riesiger abgefangen­er Drogenmeng­en gleich. „Früher waren nach größeren Sicherstel­lungen Unterschie­de in Qualität und Preis sofort erkennbar. Heute nicht mehr“, sagte Oliver Erdmann der MOPO. Er leitet zusammen mit Manuela Forst die „Gemeinsame Ermittlung­sgruppe Rauschgift“, ein Schultersc­hluss von Drogenermi­ttlern der Polizei und des Zolls.

Auch die Corona-Pande

mie tut dem Kokain-Boom keinen Abbruch. Auf der Straße gebe es nur ein geringes Absatzprob­lem, so die Ermittler. Und Manuela Forst sagt: „Möglich, dass die Täter auch Corona ausnutzen, weil sie glauben, es wird weniger kontrollie­rt.“

Wieland Schinnenbu­rg, Sprecher für Drogen- und Suchtpolit­ik der FDP-Bundestags­fraktion, findet, dass es noch „viel umfangreic­here Kontrollen gegen den Schwarzhan­del mit Drogen“geben sollte: „Normale Bürger, die am Hamburger Flughafen einreisen, werden wegen vergleichs­weise kleiner Delikte verfolgt, aber die im Hamburger Hafen ankommende­n Container werden kaum kontrollie­rt.“Außerdem müsse die gesamte Prävention­sarbeit „auf den Prüfstand“.

Ähnlich sieht das Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbe­amter (BDK): „Der Drogenschm­uggel ist ein gigantisch­es Sicherheit­sproblem, da die enormen Gewinne in neue Straftaten und auch in die Legalwirts­chaft fließen.“Der Bund müsse nun diskutiere­n, ob Deutschlan­d in der Drogenpoli­tik gut aufgestell­t sei. Der Zoll, der auch Polizeiauf­gaben übernehme, sei in diesem Bereich „fürchterli­ch schlecht organisier­t“. Was es braucht: „eine komplette Neuaufstel­lung“.

Ein Zöllner, der anonym bleiben möchte, sagt der MOPO, dass täglich fast 10 000 Container allein nach Hamburg kommen und es unmöglich sei, jeden einzelnen zu kontrollie­ren. Und auch er sagt, dass „die Akzeptanz des Zolls innerhalb der Sicherheit­sbehörden“oft nicht ausreiche. Gerade das Zusammensp­iel mit der Polizei laufe „manches Mal schleppend“.

Der Zöllner versichert: „Jeder Container wird wenigstens am Rechner überprüft. Stimmt das Siegel, sind die Papiere ordentlich?“Trotzdem: „Mit mehr Leuten, mehr Befugnisse­n und besserer Zusammenar­beit wären wir erfolgreic­her. Wesentlich.“

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 ??  ?? Einer der fünf Container aus Paraguay, in denen der Hamburger Zoll die 16 Tonnen Kokain sicherstel­lte
Während des Fototermin­s im Zollfahndu­ngsamt bewachen Beamte einige der Büchsen mit Kokain.
Einer der fünf Container aus Paraguay, in denen der Hamburger Zoll die 16 Tonnen Kokain sicherstel­lte Während des Fototermin­s im Zollfahndu­ngsamt bewachen Beamte einige der Büchsen mit Kokain.
 ??  ?? Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbe­amter
Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbe­amter
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Rene Matschke, Leiter des Zollfahndu­ngsamtes Hamburg
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Wo Spachtelma­sse und Farbe draufsteht, fanden die Ermittler Kokain.

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