MS-Kranke: Ihre letzte Hoffnung ist Russland
Franziska Himmler braucht eine Stammzellentherapie
Mit 24 Jahren zieht Franziska Himmler aus dem Landkreis Emsland nach Hamburg. Doch dann bekommt sie Multiple Sklerose (MS): eine Erkrankung, bei der das eigene Immunsystem das zentrale Nervensystem des Körpers angreift. Bei Franziska ist der Verlauf schwer, sie kann kaum noch gehen. Jetzt sammelt die Hamburgerin Geld für eine teure Therapie – in Russland.
Ende 2012 fing alles an. „Auf einmal konnte ich die Schilder in der Wandelhalle nicht mehr lesen“, erzählt Himmler der MOPO. „Es war alles verschwommen. Aber ich dachte mir erst einmal nichts dabei.“Vier Wochen später kamen Schmerzen hinzu. „Es fühlte sich an, als würde ich mir ständig ein Messer in den Arm rammen“, schildert die inzwischen 33-Jährige aus Jenfeld. Erst ein halbes Jahr später bekam sie die Diagnose: Multiple Sklerose.
Diese Krankheit stört die Informationsübertragung in den Nervenfasern. Häufige Symptome sind: Lähmungen, Taubheitsempfinden, extreme Müdigkeit oder Sehstörungen. Viele Betroffene, so Himmler, würden jahrelang von Arzt zu Arzt gehen, ohne zu wissen, was los ist.
Die gelernte Bürokauffrau war Ende 2012 gerade erst nach Hamburg gezogen, um ein kaufmännisches Training zu absolvieren. Ab dann bestimmte die Krankheit immer mehr ihr Leben. „Ich habe jahrelang damit gearbeitet, habe Stunden reduziert, um mit meiner Energie zu haushalten.“Aber das sei nicht mehr möglich.
In dieser Zeit machte sie auch Basis-Therapien in Deutschland. Dort werden Medikamente eingesetzt, die die Auswirkungen der Schübe reduzieren sollen. „Ich habe mehrere ausprobiert. Aber diese haben entweder nicht funktioniert oder hatten derart horrende Nebenwirkungen, dass ich nicht mehr den Tag bewältigen konnte“, berichtet sie.
Inzwischen verläuft ihre MS-Krankheit schleichend. Das heißt, ihr Zustand verschlechtert sich, anstatt in Attacken aufzutreten. „Es ist ein ständiges Haushalten mit Energie. Inzwischen kann ich nicht mehr spazieren gehen, vielleicht schaffe ich es zur nächsten Bushaltestelle“, sagt sie.
Deshalb setzt sie ihre Hoffnungen auf die Stammzellentherapie, bei der ein neues Immunsystem aufgebaut wird. Himmler will sich in Moskau behandeln lassen. Das Problem: Die Gesamtkosten belaufen sich auf 50 000 Euro. Dafür hat sie eine Spendenaktion gestartet, unter anderem auf ihrer Webseite.
Denn: Die Stammzellentherapie wird in Deutschland nur innerhalb von klinischen Studien angeboten – auch am UKE. Der geplante Start im Herbst 2020 wurde wegen Corona um ein Jahr verschoben. Leiter der Studie ist der Neurologe Christoph Heesen, Leiter der MS-Ambulanz.
„Hier gibt es eine sehr kritische Haltung vieler Neurologen, und die Krankenkassen zahlen nicht“, sagt er der MOPO. Er will die Stammzellentherapie in Deutschland etablieren. „Allerdings nur als Option bei besonders schweren Verläufen und nicht als Standardtherapie“, betont er. „Denn die Behandlung ist kein Spaziergang. Wenn ein Immunsystem sich neu aufbaut, ist es in dieser Zeit unglaublich angreifbar.“
„Mein Leben zieht an mir vorbei“, sagt Himmler. Sie beschreibt sich trotz allem als positive Person: „Meine Katzen und mein Mann geben mir Kraft.“
Mein Leben zieht an mir vorbei. Franziska Himmler