Mitte-Bezirks-Chef fordert Anpassung
Armut macht krank, das zeigt die Pandemie besonders erschreckend. In den sozial benachteiligten Regionen Deutschlands starben laut Robert-Koch-Institut mehr Menschen an Corona. Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtschef in HamburgMitte, fordert ein Umdenken in Deutschland und hat konkrete Ideen für Hamburg.
„Armut ist ein Gesundheitsrisiko, das ist bekannt und statistisch bewiesen. Das erlebe ich auch in meinem Bezirk“, so Droßmann zur MOPO. Von St. Pauli im Norden über die HafenCity bis nach Wilhelmsburg im Süden – in seinem Bezirk leben insgesamt rund 300000 Menschen unterschiedlichster Gesellschaftsschichten.
Nach Angaben des Statistikamts Nord ist es auch der Bezirk mit der höchsten Arbeitslosenquote, dem niedrigsten Durchschnittseinkommen und dem höchsten Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund.
Menschen mit geringem Einkommen können sich oft weniger gesunde Nahrung leisten, leben in beengteren Wohnverhältnissen und haben weniger Freizeit, so Droßmann. „Das ist auch eine psychische Belastung – dann kommt obendrauf die Pandemie.“Regelmäßig ist Hamburg-Mitte im Vergleich der Bezirks-Inzidenzen ganz weit vorn.
In Mitte seien die höchsten Infektionszahlen laut Droßmann dort, wo die geringste Wohnfläche pro Person ist – nämlich in Billstedt, auf der Veddel und in Wilhelmsburg. Statistisch gesehen hat jeder Hamburger im Durchschnitt 38,8 Quadratmeter Wohnfläche für sich zur Verfügung. In Billstedt sind es etwa 32, in Wilhelmsburg 30, auf der Veddel 28.
„Gesundes Leben darf kein Luxusgut sein. Ich fordere einen strategischen Ansatz. Der Zugang zu einem gesunden Leben ist in Deutschland, aber auch in Hamburg ungleich verteilt“, sagt Droßmann.
Ideen hat er dazu auch schon. In ganz BillstedtHorn gebe es zum Beispiel nur zwei Kinderärzte. Der Verteilungsschlüssel der Kassenärztlichen Vereinigung lasse es anders aber nicht zu, weil der Bezirk Hamburg-Mitte durch die Innenstadt einer der am besten mit Ärzten ausgestatteten Bereiche in Deutschland sei.
„Viele Ärzte scheuen es sich am Stadtrand anzusiedeln, da leben auch weniger Privatpatienten“, so Droßmann. „Wir brauchen zum Beispiel ein konkretes gefördertes Ansiedlungsprogramm für Ärztinnen und Ärzte in sozial schwachen Gebieten und eine Aufhebung dieses Schlüssels.“
Gern würde er auch Ernährungsfragen mehr in Schulen thematisieren. „Wir haben aber ein System, das auf Krankheit ausgelegt ist.“