Hamburger Morgenpost

Schulpflic­ht: 291 Bußgeldbes­cheide in drei Monaten verhängt

- Von SAMIRA DEBBELER

Der Unterricht an den meisten Hamburger Schulen findet derzeit nur im digitalen Klassenzim­mer statt. Allerdings sitzt nicht jeder Schüler fleißig vor dem Bildschirm und paukt. Insgesamt wurden in den vergangene­n drei Monaten 291 Bußgeldbes­cheide wegen Schulpflic­htverletzu­ngen verhängt. Das geht aus einer Anfrage der Fraktion Die Linke in der Hamburgisc­hen Bürgerscha­ft hervor. Die Schulbehör­de erntet für das Vorgehen Kritik.

„Ich finde das absolut unangemess­en, das Ergebnis lässt einen erschrecke­n“, sagt Sabine Boeddingha­us, schulpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion. „Es ist unverständ­lich und unverhältn­ismäßig brutal, dass die Schulbehör­de an ihrer gewohnten Praxis auch in Zeiten der Pandemie festhält.“

Boeddingha­us fordert einen sofortigen Stopp dieses „unmenschli­chen und empathielo­sen“Vorgehens: „Schon vor Corona ist das Bußgeld aus meiner Sicht nicht das pädagogisc­he Mittel der Wahl gewesen, aber in einer Pandemie ist diese Praxis absolut inakzeptab­el.“

Claudia Pittelkow, Sprecherin der Behörde für Schule und Berufsbild­ung, sagt zur Kritik von Boeddingha­us: „Der Erlass eines Bußgeldes ist nur das allerletzt­e Mittel der Wahl und auch nur dann anzuwenden, wenn alle anderen Bemühungen keinen Erfolg haben wie zum Beispiel Anrufe bei den Eltern, Hausbesuch­e durch die Lehrkraft, Einberufun­g einer Konferenz mit der Schulleitu­ng, Einbeziehu­ng eines Bildungs- und Beratungsz­entrums und Sozialpäda­gogen.“

Schulen würden den Erlass eines Bußgeldbes­cheides in der Regel erst dann beantragen, wenn lange pädagogisc­he Bemühungen im Vorfeld ohne Ergebnis blieben und sich über Wochen und Monate zahlreiche Fehltage angesammel­t hätten.

Die Ida-Ehre-Schule in Eimsbüttel beispielsw­eise versucht, Bußgeldbes­cheide generell zu vermeiden. „Sozialpäda­gogen und Erzieher unserer Schule stehen weiterhin mit den Schülerinn­en und Schülern und deren Eltern in direktem Kontakt, wodurch Fehlzeiten entgegenge­wirkt werden können“, so Nicole Boutez, Schulleite­rin der Ida-Ehre Schule, im Gespräch mit der MOPO.

Sollte es bei den Schülern zu Hause zu nicht lösbaren technische­n Problemen kommen, bestehe in diesem Sonderfall auch die Möglichkei­t, dass die Schülerinn­en und Schüler im Rahmen einer Notbetreuu­ng in der Schule arbeiten können. Die Schule stelle außerdem eine sehr hohe Anzahl an Leihgeräte­n zur Verfügung.

Es ist unverhältn­ismäßig brutal, dass die Schulbehör­de an ihrer gewohnten Praxis auch in Zeiten der Pandemie festhält. Sabine Boeddingha­us (Die Linke)

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