Bis Anfang Juni alle geimpft!
Es geht um die erste Spritze für erwachsene Impfwillige:
Lange Zeit lief es schleppend mit den Impfungen. Doch jetzt geht es bergauf. Mehr Impfstoff. Einbeziehung der Arztpraxen. Noch nie wurden so viele Menschen geimpft wie in den vergangenen Tagen. Mitte Juli könnten nach einer Experten-Prognose alle Erwachsenen in Hamburg geimpft sein. Dennoch warnen Mediziner: Die Lage in den Kliniken ist alarmierend.
Deutschland schaltet jetzt (wirklich) den Impf-Turbo. Vor allem nach dem Einstieg der Hausarztpraxen haben sich die Zahlen massiv erhöht. Mittlerweile haben 14,7 Prozent der Deutschen eine erste Impfung erhalten. „In den vergangenen Tagen wurden so viele Menschen geimpft wie nie zuvor“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag.
Demnach habe es nach 366 566 Menschen am Dienstag und 656 357 am Donnerstag nun am Freitag mit 719 927 Impfungen einen weiteren Tagesrekord gegeben. Und das lag auch daran, weil insgesamt eine größere Menge an Vakzinen zur Verfügung stand.
Das Impf-Tempo könnte aber schon bald wieder ins Stocken geraten. Denn die Abgabemengen für die Praxen werden wohl vorübergehend geringfügig weniger, bevor sie dann aber wieder stark steigen sollen.
Momentan werden die Arztpraxen mit dem Impfstoff von Biontech beliefert. Ab Mitte April werde es etwa zur Hälfte Biontech und zur Hälfte AstraZeneca sein, später auch Johnson & Johnson. Biontech liefere bisher sehr verlässlich und auf den Wochentag genau. Das habe man bei den anderen Herstellern noch nicht erreicht, hier sei teils nur die Lieferwoche bekannt, nicht aber der Tag, so Spahn.
Wohl auch deshalb fällt die aktuelle Modellrechnung des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Vereinigungen in Hamburg so hoffnungsvoll aus: Demnach könnten alle impfwilligen Erwachsenen in der Hansestadt bis Anfang Juni ihre erste und bis Mitte Juli ihre zweite Impfung erhalten haben.
Voraussetzung ist allerdings, dass 80 Prozent der Bürger zu einer Impfung bereit sind, dass die ImpfstoffLieferungen wie zugesagt eintreffen und dass die am Mittwoch in Hamburg
gestarteten Impfungen in den Arztpraxen flächendeckend funktionieren. „Wir gehen davon aus, dass bis spätestens Anfang August alle Erwachsenen ab 18 Jahren geimpft sein werden“, sagt der Sprecher des Zentralinstituts, Daniel Wosnitzka (49).
Der Hamburger Senat wagt dazu keine Prognosen. „Wir haben konkrete Lieferzusagen bis Ende April. Danach wissen wir nicht, wie viele Impfdosen tatsächlich geliefert werden. Deshalb ist eine zuverlässige Berechnung nicht möglich“, sagt Martin Helfrich.
Nach Angaben des Sprechers der Sozialbehörde wurden gestern etwa 6500 Impfdosen im Impfzentrum
Messehallen verabreicht – hinzu seien weitere durch mobile Teams, Arztpraxen und Krankenhäuser gekommen.
Und die können sich sehen lassen: Bereits am zweiten Tag wurden fast genauso viele Impfdosen in Arztpraxen verabreicht wie im Impfzentrum. „Die niedergelassenen Ärzte haben am Mittwoch 3500 und Donnerstag 5500 Menschen geimpft“, sagt Walter Plassmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg.
Erleichterung dürfte auch die Einbeziehung der Asklepios-Kliniken bringen. Das Unternehmen hat einen Vertrag mit der Stadt unterschrieben und darf in Kürze impfen. Berechtigt sind alle Patientinnen und Patienten in den Bereichen Psychiatrie, Geriatrie, Onkologie und Frührehabilitation.
Doch gerade in den Kliniken verschärft sich die Situation. „Es brennt. Die Lage ist sehr dramatisch. Jeder Tag zählt“, warnt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx. Es gebe einen ungebremsten und dramatischen Anstieg von Covid-19-Patienten.
Um Todesfälle und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern, will Karl Lauterbach deshalb einen Strategiewechsel. Der SPD-Gesundheitsexperte fordert, „so vielen Menschen so schnell wie möglich die Erstimpfung zu geben“. Dafür müsste der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung auf zwölf Wochen ausgeweitet werden. So hätte bis Juli jeder in Deutschland, der möchte, ein Impfangebot, so der Politiker bei Markus Lanz.
Doch die Dosen für die Zweitimpfung werden weiterhin zurückgelegt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Kurswechsel nicht, weshalb die Regierung bei der derzeitigen Impfstrategie bleibt. StikoChef Thomas Mertens betont, dass die Datenlage für einen Wechsel derzeit noch zu schlecht sei.