„Viele müssen das Atmen wieder lernen“ Wir helfen auch bei der Umstrukturierung, wenn Patienten nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten können.
Ärztin hat Reha für Patienten entwickelt, die mit Langzeitschäden zu kämpfen haben
Viele haben Glück und überstehen eine Corona-Infektion ohne weitere Folgen. Doch es gibt auch diejenigen, die monatelang unter massiven Schäden leiden: die Long-Covid-Fälle. Mit der MOPO hat Dr. Jördis Frommhold über mögliche Therapien gesprochen – und was ihr Sorgen bereitet.
Frommhold ist Chefärztin in der Abteilung Pneumologie der Median-Klinik in Heiligendamm in der Nähe von Rostock. Eine Klinik, die sich auf Long-Covid-Fälle spezialisiert hat. Mehr als 500 Patienten wurden dort schon behandelt, die Zahl steigt stetig.
Die Lungenexpertin spricht im Allgemeinen von drei verschiedenen CoronaVerlaufsgruppen:
„Die erste Gruppe sind diejenigen, die einen milden Verlauf hatten und anschließend genesen sind“, sagt sie der MOPO. „Die zweite Gruppe hatte einen schweren Akut-Verlauf und war zum Beispiel lange auf der Intensivstation.“Bei dieser Gruppe sei der RehaBedarf schon im Krankenhaus erkennbar.
Die letzte Gruppe aber bereitet Frommhold am meisten Sorgen. „Man weiß nicht, wie groß sie ist“, sagt sie. Zu ihr gehören alle Patienten mit einem leichten bis mittleren Verlauf, die nach ein paar Monaten erneut Symptome entwickelten. „Das sind bleiernde Müdigkeit, eine flache Schonatmung, Gedächtnisstörungen, massiver Haarausfall, Gelenkund Muskelschmerzen“, zählt Frommhold auf.
Die Ärztin hat eine Reha entwickelt, die sich gezielt an die Long-Covid-Patienten der Gruppen zwei und drei richtet. Dafür wurde in Heiligendamm zusätzlich eine Psychologin eingestellt. Denn beide Gruppen haben auch mit psychischen Folgen zu kämpfen.
Während Gruppe zwei beispielsweise aufgrund der vorherigen Nahtoderfahrungen leidet, wollen Patienten von Gruppe drei oft in ihr altes Leben zurück, können dies aber häufig nicht mehr. Zu dieser Gruppe zählen laut Frommhold häufig Patienten zwischen 20 und 50 Jahren. Sie nennt das Beispiel einer Erzieherin, die aufgrund der Long-Covid-Schäden mit ausgeprägten Gedächtnisstörungen Angst hat, ein Kind irgendwo zu vergessen.
Die Therapien unterscheiden sich, im Fokus bei beiden steht aber die Wiederherstellung der Lungenfunktion: „Bei Gruppe zwei machen wir Atem- und Koordinationsund Kraftübungen. Patienten aus Gruppe drei vermitteln wir zunächst einmal, dass sie sich ihre Symptome
Dr. Jördis Frommhold
nicht einbilden und sie nicht alleine damit sind“, sagt Frommhold.
Eins gilt für beide Gruppen: Diejenigen mit der angewöhnten Schonatmung, also einer flachen Atmung, müssten erst einmal wieder lernen, richtig zu atmen. Etwa, dass das Ausatmen länger sein soll als die Einatmung.
Zwischen zwei und fünf Wochen bleiben die Patienten in der Klinik, machen Entspannungstherapien, Krafttraining, Hirnleistungstraining und noch mehr. „Aber dann ist nicht gleich alles wieder gut“, mahnt die Ärztin. „Einigen helfen wir auch bei der Umstrukturierung, wenn sie zum Beispiel nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten können.“
Frommhold wünscht sich, dass in der Öffentlichkeit ein stärkeres Bewusstsein über die verschiedenen CoronaVerläufe geschaffen wird – und flächendeckende Anlaufstellen eingerichtet werden. Sie empfiehlt jedem, der nach Monaten unter LongCovid-Symptomen leidet, zunächst mit dem Hausarzt zu sprechen und einen Reha-Antrag zu stellen. Man könne auch erst einmal ambulante Reha-Möglichkeiten ausprobieren.
Wie groß die Erfolgschancen bei der Reha letztlich sind, lässt sich noch nicht genau beziffern. „Aber man sieht, dass die Patienten aus Gruppe zwei einfacher zu rehabilitieren sind“, so Frommhold. Und das, obwohl sie nach einem schweren AkutVerlauf vermeintlich die schlechteren Karten hätten.