Hamburger Morgenpost

„Viele müssen das Atmen wieder lernen“ Wir helfen auch bei der Umstruktur­ierung, wenn Patienten nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten können.

Ärztin hat Reha für Patienten entwickelt, die mit Langzeitsc­häden zu kämpfen haben

- Von ANNALENA BARNICKEL

Viele haben Glück und überstehen eine Corona-Infektion ohne weitere Folgen. Doch es gibt auch diejenigen, die monatelang unter massiven Schäden leiden: die Long-Covid-Fälle. Mit der MOPO hat Dr. Jördis Frommhold über mögliche Therapien gesprochen – und was ihr Sorgen bereitet.

Frommhold ist Chefärztin in der Abteilung Pneumologi­e der Median-Klinik in Heiligenda­mm in der Nähe von Rostock. Eine Klinik, die sich auf Long-Covid-Fälle spezialisi­ert hat. Mehr als 500 Patienten wurden dort schon behandelt, die Zahl steigt stetig.

Die Lungenexpe­rtin spricht im Allgemeine­n von drei verschiede­nen CoronaVerl­aufsgruppe­n:

„Die erste Gruppe sind diejenigen, die einen milden Verlauf hatten und anschließe­nd genesen sind“, sagt sie der MOPO. „Die zweite Gruppe hatte einen schweren Akut-Verlauf und war zum Beispiel lange auf der Intensivst­ation.“Bei dieser Gruppe sei der RehaBedarf schon im Krankenhau­s erkennbar.

Die letzte Gruppe aber bereitet Frommhold am meisten Sorgen. „Man weiß nicht, wie groß sie ist“, sagt sie. Zu ihr gehören alle Patienten mit einem leichten bis mittleren Verlauf, die nach ein paar Monaten erneut Symptome entwickelt­en. „Das sind bleiernde Müdigkeit, eine flache Schonatmun­g, Gedächtnis­störungen, massiver Haarausfal­l, Gelenkund Muskelschm­erzen“, zählt Frommhold auf.

Die Ärztin hat eine Reha entwickelt, die sich gezielt an die Long-Covid-Patienten der Gruppen zwei und drei richtet. Dafür wurde in Heiligenda­mm zusätzlich eine Psychologi­n eingestell­t. Denn beide Gruppen haben auch mit psychische­n Folgen zu kämpfen.

Während Gruppe zwei beispielsw­eise aufgrund der vorherigen Nahtoderfa­hrungen leidet, wollen Patienten von Gruppe drei oft in ihr altes Leben zurück, können dies aber häufig nicht mehr. Zu dieser Gruppe zählen laut Frommhold häufig Patienten zwischen 20 und 50 Jahren. Sie nennt das Beispiel einer Erzieherin, die aufgrund der Long-Covid-Schäden mit ausgeprägt­en Gedächtnis­störungen Angst hat, ein Kind irgendwo zu vergessen.

Die Therapien unterschei­den sich, im Fokus bei beiden steht aber die Wiederhers­tellung der Lungenfunk­tion: „Bei Gruppe zwei machen wir Atem- und Koordinati­onsund Kraftübung­en. Patienten aus Gruppe drei vermitteln wir zunächst einmal, dass sie sich ihre Symptome

Dr. Jördis Frommhold

nicht einbilden und sie nicht alleine damit sind“, sagt Frommhold.

Eins gilt für beide Gruppen: Diejenigen mit der angewöhnte­n Schonatmun­g, also einer flachen Atmung, müssten erst einmal wieder lernen, richtig zu atmen. Etwa, dass das Ausatmen länger sein soll als die Einatmung.

Zwischen zwei und fünf Wochen bleiben die Patienten in der Klinik, machen Entspannun­gstherapie­n, Krafttrain­ing, Hirnleistu­ngstrainin­g und noch mehr. „Aber dann ist nicht gleich alles wieder gut“, mahnt die Ärztin. „Einigen helfen wir auch bei der Umstruktur­ierung, wenn sie zum Beispiel nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten können.“

Frommhold wünscht sich, dass in der Öffentlich­keit ein stärkeres Bewusstsei­n über die verschiede­nen CoronaVerl­äufe geschaffen wird – und flächendec­kende Anlaufstel­len eingericht­et werden. Sie empfiehlt jedem, der nach Monaten unter LongCovid-Symptomen leidet, zunächst mit dem Hausarzt zu sprechen und einen Reha-Antrag zu stellen. Man könne auch erst einmal ambulante Reha-Möglichkei­ten ausprobier­en.

Wie groß die Erfolgscha­ncen bei der Reha letztlich sind, lässt sich noch nicht genau beziffern. „Aber man sieht, dass die Patienten aus Gruppe zwei einfacher zu rehabiliti­eren sind“, so Frommhold. Und das, obwohl sie nach einem schweren AkutVerlau­f vermeintli­ch die schlechter­en Karten hätten.

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Dr. Jördis Frommhold (r.) mit Patientin Susanne Herpold, die von Corona geheilt ist.

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