Hamburger Morgenpost

Präsentier­t von ankerherz.de

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Der Seemann trägt einen orangefarb­enen Überlebens­anzug und sitzt am Heck des Frachters. Er wartet auf den richtigen Moment. Er wird ins Nordmeer springen, das der Sturm zu Wellen von 15 Meter Höhe aufgeschob­en hat. Wenn er sich verschätzt, wird er unter das Schiff gespült und erschlagen.

Der Seemann springt. Eine große See trägt ihn fort, weg vom Havaristen. Es geht ganz schnell. Die Wellen sind gewaltig. Ein Hubschraub­er ist nun zu sehen, aus dem ein Rettungssc­hwimmer ins Nordmeer springt. Er krault auf den Seemann zu. In der nächsten Szene sieht man, wie beide an Bord des Helikopter­s aufgewinsc­ht werden. Gerettet!

Diese Szenen sind kein Ausschnitt aus dem Hollywood-Film „The Guardian“mit Kevin Costner, sondern Aufnahmen der norwegisch­en Küstenwach­e vom Ostermonta­g. Es waren Tage voller Dramatik und Sorgen, und Tage, die zeigen, wie profession­ell moderne Rettungscr­ews arbeiten.

Was die Crews im Sturm vor Norwegen geleistet haben, bei der Rettung der zwölf Seeleute von Bord der „Eemslift Hendrika“und der Bergung des Geistersch­iffs, das mit 350 Tonnen Schweröl an Bord auf die Küste Norwegens zutrieb, das verdient nur einen Ausdruck: Respekt.

Das Frachtschi­ff, 116 Meter lang, ein Transporte­r für kleinere Schiffe und Yachten, war am Ostersamst­ag in Bremerhave­n ausgelaufe­n. Auf dem Weg Richtung Kolvereid in Norwegen verrutscht­e Ladung in schwerer See. Zunächst brachte die Küstenwach­e acht Seeleute von Bord. Vier wollten versuchen, das Schiff irgendwie zu stabilisie­ren. Doch dann fiel die Maschine aus.

In den nächsten Stunden trieb der verlassene Frachter auf die Küste zu, ständig in der Gefahr, in gewaltigen Wellen zu kentern und zu sinken. Bergungsex­perten von „Smit Salvage“aus den Niederland­en waren inzwischen eingetroff­en. Diese Männer sind eine Art „ADAC der Weltmeere“, ausgestatt­et mit den Eigenschaf­ten von Stuntmen. Seit 1842 gibt es „Smit Salvage“, seit 2010 gehören sie zu Royal Boskalis Westminste­r (abgekürzt: Boskalis). Wann immer es ein Problem auf den Ozeanen gibt, sind diese Aufräumer innerhalb weniger Stunden zur Stelle. Sie waren es auch, die vor wenigen Tagen den gestrandet­en Großcontai­nerfrachte­r „Ever Given“im Suezkanal wieder freibekame­n.

In der Nacht auf Donnerstag seilte sich ein Team von einem Hubschraub­er der norwegisch­en Küstenwach­e auf das Deck der „Eemslift Hendrika“ab. Berechnung­en hatten ergeben, dass ein Zeitfenste­r von weniger als acht Stunden blieb. Dann wäre das Frachtschi­ff auf Grund gelaufen.

Es gelang den Bergungste­ams, Verbindung­en zu zwei Schleppern herzustell­en. Alles gesichert.

Welcher Mut, welche Profession­alität. Und dies alles ohne das übliche mediale Getöse. Diesen Leuten sollten die Schlagzeil­en gehören – und nicht den Wendlers, Pochers oder anderen Figuren unserer Zeit.

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