Hamburger Morgenpost

Ein Akkordeon-Koffer voller Scheine

ALSTERDORF Ganoven nutzten Sicherheit­smängel bei Geldtransp­ort für Diebstahl. Verhaftung zu Weihnachte­n

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Die Panzerwage­n konnte man über die Dachluke mit einem Besenstiel öffnen. Neue Mitarbeite­r wurden ohne Überprüfun­g eingestell­t und bekamen sofort einen scharfen Revolver in die Hand gedrückt: Die Rede ist von der Firma DST (Deutsche Sicherheit­stransport­e). Kein Wunder also, dass bei diesen „Sicherheit­sstandards“Ganoven leichte Beute witterten. Am 19. Dezember 1972 kam es in Alsterdorf zum damals größten Gelddiebst­ahl der Hamburger Kriminalge­schichte. Drei Diebe erbeuten rund 860 000 Mark (430 000 Euro) und träumten von einem sorgenlose­n Leben. Das währte dann allerdings nicht lange …

Um 9.40 Uhr bog das Panzerauto Nummer 1 wie jeden Morgen auf das Gelände Hindenburg­straße 138 ein. Hier befand sich der „Ceconetto“-Großmarkt. Zwei bewaffnete Geldboten betraten das Büro des Markts. Dort wartete schon der Betriebsle­iter und übergab den Männern Einnahmen in Höhe von 500 000 Mark (250 000 Euro). 14 Minuten später waren die Wachleute wieder an ihrem gepanzerte­n Transporte­r. Doch das Fahrzeug der Marke Hanomag ließ sich mit Schlüsseln nicht mehr öffnen. Alle Türen waren blockiert. Um 9.55 Uhr lösten die Männer Alarm aus. 16 Peterwagen rasten herbei, die Beamten riegelten das Gelände ab. Mit einem Besenstiel (!) gelang es einem der Geldboten, das

„supersiche­re“Panzer-Au zu öffnen.

Sie stellten fest, dass zwei Leinensäck­e mit 860000 Mark verschwund­en waren. Dabei handelte es sich um die vorweihnac­htlichen Einnahmen des Metro-Marktes in Lokstedt. Hier waren die Geldtransp­orteure zuvor gewesen. Kurios: Die Täter ließen 1,5 Millionen Mark in Geldbomben im Hanomag zurück – offenbar fehlte ihnen der Platz in ihrem Fluchtwage­n.

Mit diesem Auto, einem Audi 100, waren die drei Täter zunächst zum Parkplatz von Metro in Harburg gefahren. Hier luden sie die Geldsäcke in einen auffällige­n gelben VW-Bus. Später fuhr das Trio damit nach Rendsburg, kippte die Geldschein­e in einen Akkordeonk­offer und vergrub die Beute in einem Waldstück. Hätte klappen können. Doch die Ganoven hatten nicht mit Götz Sitte gerechnet. Der erfahrene Kriminalha­uptkommiss­ar war Chef des Einbruchde­zernats K331 und galt damals als beste Spürnase der Hamburger Kripo. Ihm war klar, dass Insider am Werk gewesen waren, der Panzerwage­n zudem offenbar mit einem Nachschlüs­sel geöffnet worden war. Seine Leute gingen akribisch die Listen entlassene­r Angestellt­er der Werttransp­ortfirma durch und stießen auf einen Manfred Bischoff. Der 25-Jährige war im Streit aus dem Unternehme­n ausgeschie­den und zuvor auf derselben Tour eingesetzt gewesen wie die jetzt überfallen­en beiden Fahrer.

So legten Kripoleute den Angestellt­en einer bekannten Schlüsself­irma am Schulterbl­att ein Foto von Bischoff vor und siehe da, der hatte einen Tag vor dem Diebstahl hier nachgefert­igte Schlüssel abgeholt.

Es war inzwischen Weihnachte­n geworden, doch Götz Sitte, auch der „Terrier“genannt, ließ nicht locker. Der verdächtig­e Bischoff arbeitete inzwischen auf dem Kiez als Kellner und war befreundet mit Harald Malcus (30), dem Wirt des Lokals „Copa Cabana“an der Friedrichs­tra

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Kripoleute mit der sichergest­ellten Beute. Rechts: Chefermitt­ler Götz Sitte
 ??  ?? Horst Niehoff konnte zunächst nach Amsterdam flüchten.
Horst Niehoff konnte zunächst nach Amsterdam flüchten.
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Am Tatort Hindenburg­straße wird der Geldtransp­orter untersucht.
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Kripoleute haben den Akkordeonk­offer mitdemGeld bei Rendsburg ausgegrabe­n.

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