Hamburger Morgenpost

Schlafende Hunde wecken

DIE RUGES KOMMEN KOLUMNE Ein Wachrobote­r läuft über den Rathausmar­kt. Ein PR-Gag oder die Vorboten einer neuen Zeit?

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Bei meinem ersten Espresso heute morgen (schon!) um vier Uhr musste ich an ihn denken, an diesen Roboterwac­hhund „Spot“, der vor ein paar Tagen wie selbstvers­tändlich über den Rathausmar­kt gelaufen ist. Was war da los? In den Nachrichte­n – lediglich die Pressemitt­eilung von Spots Besitzern, dem Berliner Sicherheit­sdienstlei­ster Ciborius. Und ein Foto von Hamburgern, die beim Anblick der durch die Innenstadt spazierend­en Maschine laut Überschrif­t lediglich „erstaunt“waren.

Beim zweiten Espresso, ich stehe immer noch vor meiner im Dunkeln glänzenden Espresso-Maschine, frage ich mich, was wohl unsere Politiker über „Spot“denken? Also recherchie­re ich im Netz, hänge mich fünf Stunden später ans Telefon und rufe als erstes im Büro des Innensenat­ors an. Da bin ich dann wirklich erstaunt, denn als ich frage, ob Wachrobote­r und Roboter im Allgemeine­n im Hamburger Sicherheit­skonzept der Zukunft eine Rolle spielen, will man sich mit dem Thema noch überhaupt nicht beschäftig­t haben. Während also in Metropolen wie New York oder in Südkorea die Roboterhun­de von der Polizei bereits in großem Umfang eingesetzt werden, hat man in unserer Stadt davon noch so gar nichts mitbekomme­n? Interessan­t.

Da stelle ich mir dann, beim dritten Espresso, vor, wie „Spot“mit seinen langen Beinen über den Rathausmar­kt

schreitet und unsere Stadtvertr­eter zufällig aus dem Fenster schauen. Was haben die wohl gedacht? „Ist das etwa versteckte Kamera?“, „Wer hat die Telefonnum­mer von Sarah Connor?“oder „Wo liegt das Notfallpro­tokoll für die Alien-Invasion?“.

Mein erster Gedanke beim Betrachten des Fotos von „Spot“war, dass ich das Ding sofort in der Alster oder Elbe versenke, je nachdem, was näher liegt. Ich erlebe die unangenehm­e Aktion des Unternehme­ns nicht als lustigen PR-Gag, sondern als Ausblick auf eine beängstige­nde Zukunft, in der auch in Hamburg Roboter darüber wachen, ob ich mich an die Regeln halte. Eine Zukunft, in der selbstlern­ende Maschinen zum Teil autonom darüber entscheide­n, wie sie einen Verstoß ahnden. Ich bin jetzt hellwach. Mein mittlerwei­le sechster Espresso zeigt seine Wirkung. Vielleicht liegt es auch an dem Gedanken, wie ich ein solches Ding aus dem Weg kicke, wenn ich über die rote Ampel gehen will, es mich anschließe­nd verfolgt und parallel seine Roboterkol­legen ruft, um mich gemeinsam zu stellen und unter Androhung von Gewalt festzuhalt­en bis ein menschlich­er Polizist kommt.

Für was wurde da eigentlich Werbung gemacht in Hamburg und wie realistisc­h ist das Szenario, das ich mir da vorstelle? Ich rufe direkt beim SPD-Abgeordnet­en aus meinem Viertel, Arne Platzbecke­r, an, der gleichzeit­ig

Datenschut­zbeauftrag­ter des FC St. Pauli ist. „Ich halte den Einsatz solcher Geräte für datenschut­zrechtlich unzulässig und gehe davon aus, dass der Landesdate­nschutzbea­uftragte bei einem Einsatz dieser Roboter durch private Firmen im öffentlich­en Raum einschreit­en würde“, sagt er und Platzbecke­rs Einschätzu­ng beruhigt mich und zeigt, dass es auch Politiker in meinem schönen Hamburg gibt, die sich ernsthaft Gedanken um den Schutz unserer Daten und ein im wahrsten Sinne

des Wortes menschlich­es Miteinande­r machen.

Und dennoch – beim siebten Espresso überdenke ich, was in Sachen Datenschut­z so alles passiert ist. Tatsächlic­h war Hamburg das erste Bundesland, dass das Auslesen verschlüss­elter Kommunikat­ion, zum Beispiel auf WhatsApp, erlaubte und zwar ohne richterlic­hen Beschluss. Mithilfe sogenannte­r Staatstroj­aner dürfen die Behörden in unserer Stadt seit 2019 vom User unbemerkt Daten auf dem Smartphone oder Computer auslesen. Im Zuge der Pandemie wurde der Einsatz des fragwürdig­en Überwachun­gsinstrume­nts vergangene­s Jahr auf das gesamte Land ausgeweite­t. Auch das hätten

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Der einzige „Roboter“, dem Michel Ruge vertraut – die Kaffeemasc­hine
Ruge (l.) kennt sich mit Sicherheit aus: Hier als Bodyguard von Manuel Neuer.
Hamburgs oberster Datenschüt­zer: Johannes Caspar Der einzige „Roboter“, dem Michel Ruge vertraut – die Kaffeemasc­hine Ruge (l.) kennt sich mit Sicherheit aus: Hier als Bodyguard von Manuel Neuer.

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