Hamburger Morgenpost

Es stellte sich heraus, dass ich 78 englische Pfund schwerer bin als der schwerste Mann Amerikas.

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Geboren wird Emil Naucke am 2. Mai 1855 auf der Insel Poel bei Wismar. Der Legende nach wiegt er schon vier Wochen nach seiner Geburt 14 Kilo. Trotz seiner Leibesfüll­e ist Naucke in jungen Jahren ein talentiert­er Turner und Seiltänzer. Von der Welt der Komödiante­n und Schaustell­er ist er hingerisse­n, sodass er sich mit 14 Jahren einer Zirkusgese­llschaft anschließt und mit ihr übers Land tingelt.

Irgendwie gelingt es Vater und Mutter, den Ausreißer wieder einzufange­n und ihn in eine Bäckerlehr­e zu zwingen. Naucke fügt sich seinen Eltern zwar, aber für ihn ist trotzdem klar, dass er sein Leben nicht mit Brotbacken vergeuden will. Er nutzt die Zeit in der Backstube, um sich „durch Exerzitien mit Mehlsäcken“zum Athleten auszubilde­n, und ist mit 18 wieder auf und davon.

Er geht dahin, wo das Vergnügen zu Hause ist: nach St. Pauli. Naucke, der nur 1,70 Meter groß ist, aber einen Hüftumfang von 1,83 Meter hat, tritt als Schwergewi­chts-Artist zunächst in

Kiezkneipe­n auf, bevor er am 8. März 1873 sein Debüt im St. Georg-Theater gibt.

Daneben macht er sich als Preisringe­r einen Namen. Gegen namhafte internatio­nale Gegner tritt er an: 1878 etwa gegen den Franzosen André Christol. Beim Kampf im Circus Renz flippt das Publikum völlig aus. Irgendwer brüllt: „Naucke, holl di“– Naucke, halte dich (auf den Beinen) – und alle im Saal stimmen in diesen Schlachtru­f mit ein. Nach dem überrasche­nden Sieg wird er zum Liebling der Massen.

Emil Naucke, 1888

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