Keinen Sinn für die Nöte der Muslime
IFTAR Wie Hamburgs Muslime den Fastenmonat im Lockdown begehen
Über Weihnachten und Ostern redete sich die Politik den Mund fusselig. Da wurde die Bedeutung der religiösen Feste beschworen – und diskutiert, was man alles möglich machen könnte, trotz Pandemie. Über Ramadan, das wichtigste Fest der Muslime, das heute beginnt, wurde kaum ein Wort verloren. Kein Thema in Landespressekonferenzen, nicht mal eine müde Pressemitteilung zu Beginn des Monats. Etwa 130000 Menschen muslimischen Glaubens leben in Hamburg. Und es ist diese Ignoranz, die viele Gläubige ärgert. Durch die Corona-Regeln brechen maßgebliche Pfeiler der Ramadan-Tradition weg: Zusammenkünfte, auf denen Nächstenliebe, Empathie und Mitgefühl zelebriert werden. Es gibt kein traditionelles Fastenbrechen mit Freunden und Familie, die Ausgangssperre erschwert selbst kleine, eigentlich zulässige und mögliche Runden, vom Nachtgebet in der Moschee ganz zu schweigen. Kein Zuckerfest zum Ende des Fastenmonats. Zum ersten Mal werden meine Oma und ich getrennt voneinander essen und feiern, viele Muslime allabendlich zum sogenannten Iftar alleine zu Hause sitzen. 30 Tage. Im Ramadan geht es um Selbstbeherrschung, das bekommt so noch eine weitere Ebene. Die Regeln mögen angesichts des grassierenden Virus in Ordnung, auch nachvollziehbar und richtig sein. Der Umgang der Politik, des Senats mit seinen muslimischen Mitbürgern ist es nicht. Wertschätzung? Empathie? Fehlanzeige. Das müssen keine Sonderrechte sein. Aber eine freundlich formulierte Pressemitteilung, in der man 130 000 Menschen ein gesegnetes Fest wünscht, trotz aller Widrigkeiten, wäre ein Anfang.
Heute startet der muslimische Fastenmonat Ramadan. Normalerweise treffen sich die Gläubigen nach Sonnenuntergang täglich zum Fastenbrechen, dem Iftar, und einem nächtlichen Gebet in der Moschee. In der Pandemie muss vieles online stattfinden.
In Hamburg leben etwa 130 000 Menschen muslimischen Glaubens. Viele von ihnen verzichten in den nächsten 30 Tagen auf Speisen, Getränke und andere körperliche Genüsse wie Rauchen.
Es ist ein Monat der „Barmherzigkeit und Vergebung“, schreibt Kazim Türkmen, Vorsitzender des größten deutschen Moscheenverbands Ditib, in einer Mitteilung. Der Ramadan biete den Muslimen jedes Jahr aufs Neue die Gelegenheit, „in uns zu gehen und zu reflektieren und uns innerlich zu erneuern“, so Türkmen. Im islamischen Kalender ist Ramadan der neunte Monat und erinnert an die Zeit, als dem Propheten Mohammed der Koran offenbart wurde.
Gruppen wie Kinder, Schwangere, stillende Mütter, kranke oder altersschwache Menschen müssen aber nicht am Ramadan teilnehmen. Am Ende der 30 Fastentage beginnt das Zuckerfest, ein großes zwei- bis dreitägiges Fastenbrechen. Traditionell wird es gemeinsam mit Verwandten gefeiert, die Kinder bekommen Süßigkeiten geschenkt.
Dieses Jahr findet der zweite Ramadan unter Pandemie-Bedingungen statt. Laut der aktuell geltenden Ausgangsbeschränkungen darf derzeit aber niemand nach 21 Uhr das Haus verlassen. Das Treffen mit Freunden und Verwandten zum Iftar ist daher kaum möglich. Ganz allein muss trotzdem niemand bleiben.
Das nächtliche Gebet in den Moscheen, von denen es in Hamburg 50 gibt, ist unter strengen Hygienevorgaben und Maskenpflicht eingeschränkt möglich. Kontaktdaten der Teilnehmer müssen erfasst werden, wenn möglich sollen sie ihre eigenen Gegenstände wie Gebetsteppiche mitbringen.
Die Dauer der Gottesdienste sollte „angemessen kurz“sein, schreibt der Hamburger Senat in einem Muster-Hygienekonzept für Gottesdienste. Auf eine Anfrage der MOPO an die Sozialbehörde schreibt eine Sprecherin, dass Ausnahmen der Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich an Ramadan nicht vorgesehen seien.
Nach Angaben des Ditib werden in diesem Jahr in den Moscheen anstelle der üblichen 20 Gebetseinheiten nach dem Nachtgebet nur acht Einheiten praktiziert. Außerdem bietet der Verein auch online Predigten und Aktivitäten für Erwachsene, Jugendliche und Kinder an.
Vielerorts wird in verschiedenen Konzepten für Bedürftige, Kranke und Alte das „Iftar-to-go“angeboten oder als „Iftar-auf-Rädern“bis zur Haustür gebracht.