Intensivstationen am Limit: So ist die Lage in Hamburg
Auslastung erreicht bundesweit neuen Höchststand – auch am UKE müssen bereits Operationen verschoben werden
Seit Wochen warnen Mediziner vor der Überlastung der Intensivstationen wegen der Corona-Pandemie. Sie fordern einen bundesweiten strikten Lockdown, um die Lage in den Krankenhäusern unter Kontrolle zu behalten. Doch bisher hat die Politik auf die Warnungen der Intensivmediziner kaum reagiert. Nun hat die Auslastung der Intensivstationen einen neuen Höchststand erreicht – auch in Hamburg müssen bereits Operationen verschoben werden.
Am Samstag schlug Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), auf Twitter Alarm: Seit Beginn der Pandemie sei der Höchststand der Auslastung aller Intensivbetten in Deutschland erreicht. Es breche außerdem immer mehr Personal weg, die Einschränkungen
im Krankenhausbetrieb seien erheblich.
Der Intensivmediziner hatte die Politik in einem weiteren Tweet schon vorher eindringlich aufgefordert, endlich zu handeln. „Wie hoch sollen die Zahlen denn noch steigen, bevor ihr reagieren wollt?“Es müsse sofort etwas passieren, da auch bei einem harten Lockdown die Corona-Zahlen erst einmal für zehn bis 14 Tage weiter steigen würden.
Stand Montag sind 4648 Personen wegen einer Covid-19-Erkrankung in Behandlung, 2660 Menschen müssen beatmet werden.
Wie brenzlig ist die Lage derzeit auf Hamburgs Intensivstationen? Die DIVI erfasst die verfügbaren Behandlungskapazitäten in der Intensivmedizin in ganz Deutschland. Nach dieser Statistik sind in der Hansestadt bereits rund 84 Prozent der Intensivbetten belegt (Stand 12. April). 105 der insgesamt 553 verfügbaren Intensivbetten werden derzeit für Covid-19-Patienten genutzt.
Laut DIVI gibt es in ganz Hamburg noch 26 freie Corona-spezifische Intensivbetten, als Notfallreserve könnten aber innerhalb von sieben Tagen zusätzlich 316 Intensivbetten in der Stadt aufgestellt werden.
Je nach Krankenhaus gestaltet sich die Situation aber unterschiedlich: Ausreichend Intensivbetten sind noch im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) verfügbar, die Klinik wird im Ampelsystem des Intensivregisters als grün eingestuft. In anderen Hamburger Krankenhäusern sieht die Lage schon weniger gut aus. So verfügt das Klinikum Groß-Sand (Wilhelmsburg) nicht mehr über Betten mit der Möglichkeit zur invasiven Beatmung. Im BundeswehrKrankenhaus wiederum sind keine „ECMO“Betten mehr verfügbar. Das „ECMO“-Verfahren kommt bei besonders schweren Covid-Verläufen zum Einsatz, wenn eine normale Beatmung nicht mehr ausreicht.
Bei fast allen Hamburger Krankenhäusern, die ihre Daten an die DIVI melden, wird die Verfügbarkeit auf den Intensivstationen in mindestens einem Bereich als „begrenzt“eingestuft.
Trotz der hohen Auslastung schätzt Stefan Kluge, Direktor für Intensivmedizin am UKE, die Lage als beherrschbar ein. „Wir haben noch freie Betten, aber wir verfügen nicht über viele Reserven“, erklärt Kluge. Denn neben den Corona-Patienten werden am UKE noch rund 100 weitere Patienten auf Intensivstationen behandelt.
Bei Bedarf könnten die Kapazitäten aber kurzfristig noch erweitert werden, so Kluge. Derzeit werden im UKE 38 Covid-19-Patienten behandelt, 24 davon auf der Intensivstation. Dem UKE würden aber zunehmend auch Patienten aus der Metropolregion und Umgebung zugewiesen, so Kluge. „Da wir im UKE weiterhin mit einer steigenden Auslastung der Intensivbetten rechnen, haben wir begonnen, einige nicht dringend notwendige Operationen zu verschieben. So können wir bei Bedarf Personal von anderen Stationen auf der Intensivstation einsetzen.“
Kluge beobachtet außerdem, dass die Patienten, die wegen einer Corona-Erkrankung auf der Intensivstation behandelt werden müssen, immer jünger werden. In den vergangenen zwei Monaten sei das Durchschnittsalter im UKE von 63 auf 56 Jahre gesunken. „Das liegt vor allem daran, dass die ganz Alten zunehmend durch eine Impfung geschützt sind“, erläutert der Intensivmediziner.
„Die Jüngeren haben zwar ein sehr geringes Risiko, schwer zu erkranken und damit auf die Intensivstation zu kommen. Aber wenn die Zahlen bei den Jüngeren insgesamt hochgehen, ist auch die Zahl der schweren Verläufe bei jüngeren Patient:innen höher“, so Kluge.
Die meisten Patienten mit schweren Krankheitsverläufen hätten allerdings auch Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, chronische Lungenerkrankungen oder Übergewicht. In den vergangenen Tagen wurden am UKE außerdem drei schwangere Covid-19-Patientinnen auf der Intensivstation behandelt.
Wir haben noch freie Betten, aber wir verfügen nicht über viele Reserven.
UKE-Intensiv-Chef Stefan Kluge