Höcke-Lager gewinnt auf Parteitag weiter an Einfluss
ANALYSE
DRESDEN – „Deutschland. Aber normal“– So der offizielle AfD-Slogan im Superwahljahr. In zwei Image-Filmen wurde bislang nur angedeutet, was die Partei sich unter „normal“vorstellt. In verwackelten Super-8-Videos wird eine 50er-Jahre-Idylle gezeigt, die blonde Enkelin herzt den Opa, die AfD sei die einzige Partei, die noch „die normalsten Dinge der Welt“wolle, nämlich sichere Grenzen und Städte, dafür keine Gender-Sternchen. So weit, so konservativ? Auf dem Parteitag am Wochenende wurde deutlich: So radikal wie jetzt war die AfD noch nie.
Die Geschichte der AfD ist eine der steten Radikalisierung. Vor allem auf Parteitagen wurden zu moderate Parteichefs weggemobbt: Bernd Lucke 2015, Frauke Petry 2017. Einige aus dem offiziell aufgelösten völkischen „Flügel“wären Jörg Meuthen nun auch gerne losgeworden. Man einigte sich aber auf eine Art Burgfrieden – das Wahlvolk mag keinen Streit. Die Radikalisierung erfolgte diesmal ohne Personal-Knall, dafür umso heftiger. Heimlicher Star: Björn Höcke.
In mehreren Punkten setzte sich sein Lager durch. Klarer als je zuvor: Der Feind steht links. Was bedeutet: alles links der AfD. Das sieht man auch im Imagefilm, wo sich die Partei an „Fridays for Future“, einer angeblichen CoronaDiktatur und „der Antifa“abarbeitet. Die überschreitet laut Programm „zunehmend die Schwelle zum Linksterrorismus“und soll verboten werden. Trotz Halle, Hanau, Walter Lübcke: Rechtsterrorismus wird nicht erwähnt.
Migration soll so gut wie unmöglich werden. Kein Familiennachzug. Einwände, dass das rechtlich gar nicht möglich sei, wurden von Höcke weggewischt: Man befinde sich in keiner rechtlichen Sphäre, es gehe um Signale. Fachkräftemangel? Laut Programm „ein konstruiertes Narrativ der Industrieund Wirtschaftsverbände“. Humanitäre Aufnahme von Geflüchteten? Nur für einige vom Bundestag ausgewählte, die einen „mit der deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung vereinbaren kulturellen und religiösen Hintergrund“haben sollen. Und: Es soll wieder Grenzzäune sowie -kontrollen geben.
Die EU, die da ein Wörtchen mitzureden hätte, soll im Idealfall abgeschafft, zumindest verlassen werden. Parteichef Meuthen und Alexander Gauland hatten sich bis zum Schluss gegen einen solchen „Dexit“-Plan gestemmt. Vergebens. Der „Tagesspiegel“zitierte MdB Karsten Hilse mit dem Satz: „Die EU muss sterben, wenn Deutschland leben will.“Der bekennende „Querdenker“Hilse war es auch, der eine „Corona-Resolution“einbrachte, die angenommen wurde: Keine Maskenpflicht, sofortiges Ende der Lockdown-Maßnahmen. Nun steht die Partei klar an der Seite der Corona-Leugner.
Ganz knapp wurde ein Antrag abgelehnt, nach dem sich die Partei für eine Erleichterung des Tragens von Waffen in der Öffentlichkeit aussprechen wollte. Der Beschluss zur Bundeswehr sprach zum einen von dort bekannten Werten wie Korpsgeist, Ehre, Treue und Kameradschaft. Pflegen solle die Armee aber ausschließlich „deutsche Werte“und zudem solle sie „die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte“leben.
Vor allem Höcke, aber auch andere „Flügel“-Protagonisten meldeten sich oft zu Wort. Über alle Punkte gab es kontroverse Diskussionen. Am Ende aber wurde das Programm angenommen. Einstimmig. Der Kurs der AfD für das Wahljahr ist klar: Radikal.