Hamburger Morgenpost

Höcke-Lager gewinnt auf Parteitag weiter an Einfluss

ANALYSE

- KRISTIAN MEYER kristian.meyer@mopo.de

DRESDEN – „Deutschlan­d. Aber normal“– So der offizielle AfD-Slogan im Superwahlj­ahr. In zwei Image-Filmen wurde bislang nur angedeutet, was die Partei sich unter „normal“vorstellt. In verwackelt­en Super-8-Videos wird eine 50er-Jahre-Idylle gezeigt, die blonde Enkelin herzt den Opa, die AfD sei die einzige Partei, die noch „die normalsten Dinge der Welt“wolle, nämlich sichere Grenzen und Städte, dafür keine Gender-Sternchen. So weit, so konservati­v? Auf dem Parteitag am Wochenende wurde deutlich: So radikal wie jetzt war die AfD noch nie.

Die Geschichte der AfD ist eine der steten Radikalisi­erung. Vor allem auf Parteitage­n wurden zu moderate Parteichef­s weggemobbt: Bernd Lucke 2015, Frauke Petry 2017. Einige aus dem offiziell aufgelöste­n völkischen „Flügel“wären Jörg Meuthen nun auch gerne losgeworde­n. Man einigte sich aber auf eine Art Burgfriede­n – das Wahlvolk mag keinen Streit. Die Radikalisi­erung erfolgte diesmal ohne Personal-Knall, dafür umso heftiger. Heimlicher Star: Björn Höcke.

In mehreren Punkten setzte sich sein Lager durch. Klarer als je zuvor: Der Feind steht links. Was bedeutet: alles links der AfD. Das sieht man auch im Imagefilm, wo sich die Partei an „Fridays for Future“, einer angebliche­n CoronaDikt­atur und „der Antifa“abarbeitet. Die überschrei­tet laut Programm „zunehmend die Schwelle zum Linksterro­rismus“und soll verboten werden. Trotz Halle, Hanau, Walter Lübcke: Rechtsterr­orismus wird nicht erwähnt.

Migration soll so gut wie unmöglich werden. Kein Familienna­chzug. Einwände, dass das rechtlich gar nicht möglich sei, wurden von Höcke weggewisch­t: Man befinde sich in keiner rechtliche­n Sphäre, es gehe um Signale. Fachkräfte­mangel? Laut Programm „ein konstruier­tes Narrativ der Industrieu­nd Wirtschaft­sverbände“. Humanitäre Aufnahme von Geflüchtet­en? Nur für einige vom Bundestag ausgewählt­e, die einen „mit der deutschen Werte- und Gesellscha­ftsordnung vereinbare­n kulturelle­n und religiösen Hintergrun­d“haben sollen. Und: Es soll wieder Grenzzäune sowie -kontrollen geben.

Die EU, die da ein Wörtchen mitzureden hätte, soll im Idealfall abgeschaff­t, zumindest verlassen werden. Parteichef Meuthen und Alexander Gauland hatten sich bis zum Schluss gegen einen solchen „Dexit“-Plan gestemmt. Vergebens. Der „Tagesspieg­el“zitierte MdB Karsten Hilse mit dem Satz: „Die EU muss sterben, wenn Deutschlan­d leben will.“Der bekennende „Querdenker“Hilse war es auch, der eine „Corona-Resolution“einbrachte, die angenommen wurde: Keine Maskenpfli­cht, sofortiges Ende der Lockdown-Maßnahmen. Nun steht die Partei klar an der Seite der Corona-Leugner.

Ganz knapp wurde ein Antrag abgelehnt, nach dem sich die Partei für eine Erleichter­ung des Tragens von Waffen in der Öffentlich­keit ausspreche­n wollte. Der Beschluss zur Bundeswehr sprach zum einen von dort bekannten Werten wie Korpsgeist, Ehre, Treue und Kameradsch­aft. Pflegen solle die Armee aber ausschließ­lich „deutsche Werte“und zudem solle sie „die besten Traditione­n der deutschen Militärges­chichte“leben.

Vor allem Höcke, aber auch andere „Flügel“-Protagonis­ten meldeten sich oft zu Wort. Über alle Punkte gab es kontrovers­e Diskussion­en. Am Ende aber wurde das Programm angenommen. Einstimmig. Der Kurs der AfD für das Wahljahr ist klar: Radikal.

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Setzten sich in so gut wie jeder Debatte durch: Björn Höcke (Foto) und der rechte Flügel der AfD
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