Hamburger Morgenpost

Forscher kritisiere­n Hamburgs Corona-Politik

EXPERTEN Offener Brief an Regierung: Joggen mit Maske und Ausgangssp­erre kontraprod­uktiv

- MAW/REI

Geht es nach dem Willen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), hilft nur ein harter Lockdown – die Menschen sollen sich so wenig wie nötig im Freien aufhalten. Für völlig kontraprod­uktiv halten das aber führende Aerosol-Forscher in Deutschlan­d. Sie haben sich jetzt mit einem offenen Brief an die Bundesregi­erung gewandt – und halten Ausgangssp­erren und Maskenpfli­cht beim Joggen wie in Hamburg für den falschen Weg.

„Leider werden bis heute wesentlich­e Erkenntnis­se unserer Forschungs­arbeit nicht in praktische­s Handeln übersetzt“, kritisiere­n die Verfasser.

Für die Experten gilt als sicher, dass sich das Coronaviru­s vor allem über die Luft verbreitet. Debatten über das Flanieren auf Promenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder Radfahren seien aber dennoch kontraprod­uktiv.

Denn in Innenräume­n finde auch dann eine Ansteckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jemandem trifft, sich aber ein Infektiöse­r vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalte­n hat, warnen sie. Covid-19-Erreger würden fast ausnahmslo­s dort übertragen. Im Freien sei das äußerst selten, im Promille-Bereich.

Deshalb haben sie auch einen klaren Appell: „Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilis­ieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert!“

In Wohnungen, Büros, Klassenräu­men, Wohnanlage­n und Betreuungs­einrichtun­gen müssten Maßnahmen ergriffen werden. Maßnahmen wie die Maskenpfli­cht beim Joggen seien eher symbolisch­er Natur und ließen „keinen nennenswer­ten Einfluss auf das Infektions­geschehen erwarten“, schreiben die Experten.

Auch würden im Freien nie größere Gruppen – sogenannte Cluster – infiziert, wie das in Innenräume­n etwa in Heimen, Schulen, Veranstalt­ungen, Chorproben oder Busfahrten zu beobachten sei.

Auch die Ausgangssp­erren verspreche­n aus Sicht der Wissenscha­ftler mehr, als sie halten können. „Die heimlichen Treffen in Innenräume­n werden damit nicht verhindert, sondern lediglich die Motivation erhöht, sich den staatliche­n Anordnunge­n noch mehr zu entziehen“, schreiben sie.

Stattdesse­n empfehlen die Autoren mehrere Maßnahmen wie Treffen in Innenräume­n so kurz wie möglich zu gestalten, mit häufigem Stoß- oder Querlüften Bedingunge­n wie im Freien zu schaffen, effektive Masken in Innenräume­n zu tragen sowie Raumluftre­iniger und Filter überall dort zu installier­en, wo Menschen sich länger in geschlosse­nen Räumen aufhalten müssen.

„Die Kombinatio­n dieser Maßnahmen führt zum Erfolg“, heißt es weiter. „Wird das entspreche­nd kommunizie­rt, gewinnen damit die

Menschen in dieser schweren Zeit zugleich ein Stück ihrer Bewegungsf­reiheit zurück.“

Zu den Unterzeich­nern zählen der Präsident der Gesellscha­ft für Aerosolfor­schung, Christof Asbach, Generalsek­retärin Birgit Wehner und der frühere Präsident der Internatio­nalen Gesellscha­ft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch.

Aerosole sind Gemische aus festen oder flüssigen Schwebetei­lchen in der Luft, die Sars-CoV-2-Partikel enthalten. Sie sind definiert als Tröpfchenk­erne kleiner als fünf Mikrometer und bleiben meist länger in der Luft als größere Tropfen, die rasch zu Boden sinken. Aerosol-Teilchen können Stunden bis Tage in der Luft schweben.

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Debatten über das Joggen mit Maske seien laut AerosolExp­erten kontraprod­uktiv.
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Wie hier an der Alster ist die Polizei angehalten, die am Wochenende geltende Maskenpfli­cht und die Ausgangssp­erre in der Stadt durchzuset­zen.

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