Hamburger Morgenpost

Warum kündigt die Commerzban­k einfach mein Konto?

Kreditinst­itut trennt sich ohne Erklärung von zuverlässi­gen Kunden

- OLAF WUNDER olaf.wunder@mopo.de

Das seltsame Geschäftsg­ebaren der Commerzban­k – nicht zum ersten Mal Gegenstand der MOPO-Berichters­tattung. Vor drei Jahren berichtete­n wir über eine Unternehme­rin mit iranischen Wurzeln, die ohne jede Begründung die Kündigung ihres Kontos, des Depots und der Vermögensv­erwaltung erhielt. Iris Motamed-Amini warf der Commerzban­k Diskrimini­erung vor. Der Verdacht: Es muss mit der iranischen Herkunft ihres Vaters zu tun haben.

Diesmal steht eine Hamburger Rechtsanwä­ltin im Mittelpunk­t der Geschichte: die bekannte Strafverte­idigerin Dr. Canan Yüksel. Sie ist seit zehn Jahren Kundin der Commerzban­kTochter Comdirect – aber nicht mehr lange. Aus heiterem Himmel erhielt die Anwältin am 17. März Post von ihrem Geldinstit­ut. In dem Brief heißt es lapidar: „Wir machen von unserem Kündigungs­recht Gebrauch

und kündigen die gesamte Kontoverbi­ndung fristgerec­ht zum 26. Mai 2021.“

Gegenüber der MOPO versichert Anwältin Yüksel (in Deutschlan­d geboren, ihr Vater hat die deutsche und die türkische Staatsbürg­erschaft), dass diese Kündigung keine Vorgeschic­hte hat. Sie versichert: „Auf dem Konto befindet sich Guthaben, es gab nie Beanstandu­ngen, keinen Zahlungsve­rzug – nichts. In all den Jahren nicht.“

Was äußerst seltsam ist: Comdirect wartete laut Yüksel die von ihr selbst gesetzte Frist nicht ab, sondern sperrte das Konto sofort. Unmittelba­r nach dem Kündigungs­schreiben war es Canan Yüksel nach eigenen Angaben nicht mehr möglich, Überweisun­gen zu tätigen oder Geld vom Konto abzuheben. „Auch Lastschrif­ten wurden nicht mehr eingelöst, was zu peinlichen Situatione­n führte“, so Yüksel. „Plötzlich erhielt ich Mahnungen, weil Rechnungen offen geblieben waren.“

Die Anwältin ließ das nicht auf sich beruhen, sondern wehrte sich juristisch. Mit Erfolg: Das Amtsgerich­t Frankfurt/Main erließ am 14. April eine einstweili­ge Verfügung. Die Bank muss jetzt dafür sorgen, dass Canan Yüksel über ihr Konto verfügen kann – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungs­frist.

Die MOPO wollte wissen, was die Commerzban­k bzw. die Unternehme­nstochter Comdirect zu dem Vorgang sagt. Wieso erhalten Kunden wie Canan Yüksel plötzlich die Kündigung? Was sind die Kriterien, die zu einer Kündigung führen?

Aber wie auch schon vor drei Jahren im Fall Iris Motamed-Amini verweigert die Pressestel­le jede Erklärung und beruft sich auf die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen. Die Bank habe das Recht, eine Geschäftsv­erbindung jederzeit aufzuheben, und zwar ohne Begründung. ComdirectS­precherin Ullrike Hamer behauptet darüber hinaus, das Konto von Canan Yüksel habe ab dem 29. März wieder für den Zahlungsve­rkehr genutzt werden können. Die Kundin habe aber durch dreimalige­s Eingeben einer falschen Pin den Online-Zugang gesperrt. Eine Behauptung, die Canan Yüksel so kommentier­t: „Das ist eine Lüge.“

Was steckt hinter diesem Verhalten der Bank? Warum entledigt sich ein Geldinstit­ut, das ohnehin in großen Schwierigk­eiten steckt, seiner Kunden und riskiert so seinen Ruf ?

Tatsache ist: Canan Yüksel ist kein Einzelfall: Ein 90-jähriger Mann türkischer Herkunft aus dem Kreis Pinneberg, der nicht genannt werden will, berichtet, dass er im April ebenfalls die Kontokündi­gung bekam – in diesem Fall war es die Commerzban­k selbst, nicht Comdirect. Der Mann – ein bekannter Journalist, der über die deutsche und die türkische Staatsbürg­erschaft verfügt, erzählt, dass er 50 Jahre sein Konto bei der Commerzban­k hatte. Nun wirft sie ihn einfach raus. Er sagt, dass auch er seit Eingang des Kündigungs­schreibens nicht mehr an sein Konto kommt. Am Bankautoma­ten Geld abhe

ben? Unmöglich. Das Gerät spuckt die EC-Karte unverricht­eter Dinge einfach wieder aus.

Bundesweit gibt es offenbar noch etliche Commerzban­k-Kunden, denen es ähnlich ergeht. In Bremen berichtete Anfang März der „Weser-Kurier“über den kaufmännis­chen Angestellt­en Thomas Harmling. Auch er gab an, dass er nie finanziell­e Probleme hatte, nie arbeitslos und das Konto nie überzogen war – und dass trotzdem die Kontokündi­gung ins Haus flatterte. Auch er erhielt keine Begründung. Allerdings hat er eine Idee, woran es liegen kann: an der iranischen Staatsbürg­erschaft seiner Frau.

Sind vielleicht die internatio­nalen Sanktionen und das US-Embargo gegen Teheran der Grund? Vielleicht. Den Fall Canan Yüksel würde das allerdings nicht erklären. Und es wäre auch keine Erklärung dafür, dass Deutsche

ohne Migrations­hintergrun­d ebenfalls betroffen sind: Der „Kölner Express“berichtete im Herbst über Marlies Greber, Chefin des „Astor & Aparthotel­s“, die zuerst an einen Witz glaubte, als die Kontokündi­gung der Commerzban­k in der Post lag. „Ich bin dort seit 30 Jahren Privat- und seit 20 Jahren auch Geschäftsk­undin, ich stehe mit allen Konten in den schwarzen Zahlen.“Und doch will die Commerzban­k mit ihr nichts mehr zu tun haben. Und warum? Sie ahnen es: Auch Marlies Greber erhielt auf diese Frage keine Antwort.

Sind Sie auch betroffen? Oder haben Sie InsiderKen­ntnisse, die erklären, was bei der Commerzban­k los ist? Dann melden Sie sich bitte per E-Mail.

Auf dem Konto befindet sich Guthaben, es gab nie Beanstandu­ngen, keinen Zahlungsve­rzug, nichts. Dr. Canan Yüksel

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 ??  ?? Die Hamburger Commerzban­k und ihr Tochterunt­ernehmen Comdirect
Die Hamburger Commerzban­k und ihr Tochterunt­ernehmen Comdirect
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 ??  ?? Dr. Canan Yüksel, Strafverte­idigerin, hat Ärger mit der Commerzban­k-Tochter Comdirect.
Dr. Canan Yüksel, Strafverte­idigerin, hat Ärger mit der Commerzban­k-Tochter Comdirect.

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