Hamburger Morgenpost

„Bin Anhänger einer NoCovid-Strategie“

Der Hamburger Sänger über den Lockdown und wie er durch ihn zum Start-up-Gründer wurde

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwestern, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies „Einer kommt, alle machen mit“möglich. Die Gespräche finden per Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit dem Sänger und Junguntern­ehmer Enno Bunger. Lars Meier: Herr Bunger, gerade den Künstlern hängen Streaming-Konzepte zum Hals heraus. Sie hingegen setzen auf höhere Qualität. Erklären Sie mal! Enno Bunger: Vor ungefähr einem Jahr hatte ich mein letztes Konzert als Support von Johannes Oerding vor 12 000 Leuten in der TUI-Arena. Dann kam der Lockdown und danach war mein erster Auftritt ein Geburtstag­skonzert per Video. Mir hat das aber total Spaß gemacht, nur für eine Person zu singen. So habe ich meine Karriere auch begonnen. Ich habe mich also angeboten für Privatkonz­erte und Workshops und das in meinem Newsletter beworben. Und ich hatte viel zu tun.

Es klappt auch mit der Technik?

Ich habe festgestel­lt, dass die Tonqualitä­t über die gängigen Konferenzp­lattformen nicht so gut ist. Dann ist glückliche­rweise ein Entwickler darauf aufmerksam geworden, mit dem ich mich zusammenge­tan und ein Start-up gegründet habe, das „micdrops“heißt. Darüber spiele ich seit November. Wenn ich es richtig sehe, bieten wir die einzige Lösung, Videokonfe­renzen in Stereo-Ton und hoher Audioquali­tät abzuhalten und sich dabei gegenseiti­g hören und sehen zu können. Das ist nicht wie bei Instagram oder YouTube, wo die Leute mittlerwei­le genervt sind, weil es keine richtige Interaktio­n gibt. Da fühlt man sich als Künstler wie ein Astronaut im luftleeren Raum.

Für wen kann das noch interessan­t sein außer für Musiker?

Die Audioauflö­sung ist wesentlich höher. Das kann auch für Podcasts interessan­t sein. In erster Linie haben wir aber an Musikschaf­fende gedacht, vielleicht auch Musiklehre­rInnen, die gerade nur online unterricht­en können.

Wie kommt man als Musiker darauf, Management und Entwicklun­gsaufgaben zu machen?

Ich hatte in den letzten Jahren 60 bis 80 Prozent meiner Einnahmen mit dem Live-Geschäft. Davon leben viele Künstler. Wenn das wegfällt, geht es uns finanziell nicht gut. Ich habe gemerkt, dass mein Publikum Bedarf an Online-Konzerten hatte und bereit war, dafür Geld zu bezahlen. Ich habe einfach eine Möglichkei­t gesucht, meine privaten Konzerte in besserer Qualität übertragen zu können. Ich brauche Austausch. Ich sehe gerne Gesichter und stehe nach dem Konzert normalerwe­ise immer noch eine Stunde am Merch-Stand herum, wo die Band mich dann wegziehen muss, weil der Bus losfährt. Ich vermisse das total.

Letztes Jahr waren Sie bei der Gala „Einer kommt, alle machen mit“in der Elbphilhar­monie dabei. Können Sie sich noch an das Gefühl erinnern, allein dort zu sitzen?

Es war einerseits total schön, an diesem wunderschö­nen Flügel sitzen zu dürfen, anderersei­ts war es skurril. Die Nähe und die Wärme fehlten. Wenn nur ein Drittel der Plätze besetzt gewesen wäre, dann wäre es anders gewesen. So fühlte ich mich relativ verloren. Kultur ist immer auch Austausch.

Am 12. Mai startet wieder „Einer kommt …“Auf welche Berufsgrup­pe sollte das GuteLeude-Kulturgrem­ium bei der Verteilung der Spenden genauer schauen?

Ich finde immer noch, dass die Politik bei den Pflegekräf­ten versagt und dass dort viel mehr passieren muss. Darüber hinaus das Crew-Personal und MusikerInn­en, die von Bands oder KünstlerIn­nen wie mir derzeit nicht gebucht werden. Was ist Ihr Wunsch an die Politik? Ich bin Anhänger einer NoCovid-Strategie. Ich bin dafür, dass man jetzt die Inzidenzen runterbrin­gt und wenn dann gelockert wird, solidarisc­h in allen Bereichen. Nicht nur für Fluglinien und Mallorca-Leute. Es kann nicht sein, dass einzelne Bereiche geöffnet werden und andere nicht. Da sollte es Gerechtigk­eit geben.

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