Hamburger Morgenpost

Die Festung von Niendorf

120 Obdachlose in Quarantäne völlig abgeschott­et

- Von FREDERIK MITTENDORF­F

Es ist die härteste CoronaQuar­antäne Hamburgs: Der Durchschni­ttsbürger geht im Falle einer Infektion in seinen heimischen vier Wänden in Quarantäne – doch für 120 Obdachlose, die von einem Corona-Ausbruch in einer Notunterku­nft in der Friesenstr­aße betroffen sind, funktionie­rt das nicht. Sie müssen nun in der ehemaligen Flüchtling­serstaufna­hme in der Schmiedeko­ppel zwei Wochen ausharren – Suchterkra­nkungen und psychische­n Problemen zum Trotz.

Mit großem Aufwand waren sie am Sonntag mit zahlreiche­n Bussen in die Quarantäne-Unterkunft verlegt worden, seitdem sitzen 120 Obdachlose abgesicher­t in der Schmiedeko­ppel. Rund um das Gelände gibt es Zäune und Sicherheit­spersonal überwacht die Einhaltung der Quarantäne. „Die Stimmung ist ruhig“, beschreibt

Susanne Schwendtke, Sprecherin von Fördern&Wohnen, die Lage. Allerdings muss vor Ort mit einigen Widrigkeit­en umgegangen werden. Unter den Menschen sind psychisch angeschlag­ene Menschen und Suchtkrank­e. Doch aufgrund der Quarantäne kann sich natürlich niemand selber mit dem versorgen, was er braucht.

Droht nun für einige ein kalter Entzug mit gesundheit­lichen Risiken? Nein, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheit­sbehörde, zur MOPO. „Im Rahmen dieser wie auch bisher schon durchgefüh­rter Quarantäne­maßnahmen wird sensibel mit Suchterkra­nkungen umgegangen. Das bedeutet im Zweifel auch, dass ein kalter Entzug nicht erzwungen würde, wo er medizinisc­h problemati­sch wäre.“Nach MOPO-Informatio­nen ist dies zutreffend, die Obdachlose­n werden neben der normalen Verpflegun­g mit dem versorgt, was sie brauchen.

Und wie geht es nun weiter? „Gegenwärti­g werden Tests durchgefüh­rt und ausgeweite­t, auch auf Beschäftig­te;

es liegen jedoch noch nicht alle Ergebnisse vor“, so Helfrich. Bislang waren bei dem Ausbruch in der Friesenstr­aße 42 Infektione­n festgestel­lt worden. Es wird die britische Mutation vermutet, bestätigt ist dies jedoch noch nicht. „Sequenzier­ungen nehmen üblicherwe­ise mindestens sieben Tage in Anspruch, hierfür rechnen wir derzeit noch nicht mit Ergebnisse­n”, sagte Helfrich. Allerdings spiele dies ohnehin für das weitere Vorgehen keine Rolle, „weil die Weitergabe jeglicher Infektione­n, gleich welcher Variante, reduziert beziehungs­weise verhindert werden soll“.

Eine gute Nachricht gibt es auch noch: Die Obdachlose­nunterkunf­t in der Friesenstr­aße kann nach reichlich Desinfekti­on und Lüften voraussich­tlich am Donnerstag wiedereröf­fnet werden. Zuletzt waren die Plätze in den Winternotu­nterkünfte­n aufgrund der Schließung knapp geworden – so hatte zum Beispiel der Kältebus enorme Schwierigk­eiten, noch Anlaufstat­ionen zu finden.

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An der Schmiedeko­ppel müssen 120 Obdachlose eine vierzehntä­gige Quarantäne verbringen.

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