Hamburger Morgenpost

„Ich war auf einer Suche, ohne es zu wissen“

Arnd Boekhoff von „Viva con Agua“über Corona und neue Pläne

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwestern, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies „Einer kommt, alle machen mit“möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit Arnd Boekhoff von „Viva con Agua“. Lars Meier: Herr Boekhoff, Viva con Agua hat jetzt eine Seife herausgebr­acht. Erzählen Sie davon! Arnd Boekhoff: Das war die wunderbare Idee von Goldeimer, einer Schwesterg­esellschaf­t sozusagen. Das Team hat eine Zeitlang mit unseren Vertriebsl­euten an einer ganz normalen Seife gearbeitet. Ein schönes Stück Seife ohne Schnicksch­nack, das einfach seinen Zweck erfüllt, saubere, hygienisch­e Hände zu produziere­n und ansonsten der Umwelt nicht zu sehr zur Last zu fallen. Sie ist ohne Öl, vegan und CO2-neutral in meiner ostfriesis­chen Heimat produziert. Heute ist das erste Paket an mich gekommen. Es ist für uns neben dem Mineralwas­ser, das für Wasser steht, und dem Klopapier, das für Sanitär steht, die Hygiene, die wir mit dem Stück Seife mit einem schönen Produkt verbunden haben. Ursprüngli­ch ging es bei Ihnen darum, auf manchmal lustige Weise Spenden einzusamme­ln. Dann kamen das Mineralwas­ser und die Millerntor Gallery. Wie ist das alles aufgebaut? Zwei Ecksteine wurden schon genannt. Darüber hinaus ist es ganz schön, dass das Ganze über die Grenzen von Deutschlan­d hinausgewa­chsen ist. Wir haben mittlerwei­le Vereine in Österreich, der Schweiz und den Niederland­en, die „Viva con Agua“heißen und die Idee unterstütz­en. Vor allem sind auch in den letzten Jahren Organisati­onen in Uganda, Südafrika, Mosambik und auch Äthiopien gewachsen. Wir haben jetzt ein wirklich internatio­nales Netzwerk von „Viva con Agua“-Organisati­onen und eben den Social Businesses, die mit tollen Produkten oder Dienstleis­tungen Mittel mobilisier­en. Man hört, dass in der Pandemie die Spendenflü­sse an wohltätige Organisati­onen etwas versiegen. Sie haben Produkte, die „Corona-Gewinnler“sind. Können Sie das damit wettmachen? Leider nicht. Das mit dem Klopapier war natürlich völliger Irrsinn und fast schon ein bisschen lustig, dass im letzten März das Klopapier fast ausverkauf­t war. Insofern konnten wir da nicht so richtig produziere­n. Was da war, ging weg, aber wir konnten nicht so schnell nachproduz­ieren. Und mit dem Mineralwas­ser wurde es schwierige­r, weil wir damit ganz vorrangig in der Gastronomi­e und den Hotels zu finden sind, die alle schon sehr lange geschlosse­n sind. Das hat unseren Wasserabsa­tz ziemlich mitgenomme­n. Welche Krisenidee ist besonders gut gelungen und könnte nach der Öffnung weitergehe­n? Ich fand diese „Stream for Water“-Formate, bei denen wir dann mal über ein Wochenende verschiede­ne tolle Künstler auf unsere Kanäle eingeladen haben, ganz gut oder Formate, wo wir auch zu bestimmten Themen eingeladen haben. Das war zum Teil so gut und hat Menschen zum Zuschauen und Spenden animiert, dass ich sagen würde, dass es auch danach weitergehe­n sollte. Man kann halt noch viel mehr Leute erreichen, die physisch nicht nach Hamburg oder an andere Orte kommen können, damit aber trotzdem teilnehmen können. Am Ende geht es halt immer noch darum, dass wir damit Wasser- und Hygienepro­jekte vor allem in Afrika und Asien finanziere­n. Sie haben weniger Geld eingenomme­n. Müssen nun Projekte gestrichen werden? Die ein, zwei Jahre vorher liefen zum Glück so gut, dass der Verein von „Viva con Agua“ein paar Rücklagen bilden konnte, die verwendet werden konnten. Das war total hilfreich, weil für uns das Schlimmste ist, einem Projektpar­tner sagen zu müssen, dass wir sein Projekt nicht mehr finanziere­n können und es gestoppt werden muss. Das hieße gleichzeit­ig, dass da Hunderte oder Tausende Menschen sind, die keine Wasserund Sanitärver­sorgung bekommen können. Das konnten wir eigentlich bestmöglic­h verhindern und es mit unseren Partnern wie der Welthunger­hilfe vereinbare­n, dass vielleicht mal eine Zahlung später kommt oder so. Zum Jahresende haben wir auch noch mal einen guten Endspurt hingelegt und viele Leute haben noch mal gespendet. Wir mussten nichts absagen und konnten viele Mittel weiterleit­en. Weit über drei Millionen Euro gingen in Projekte. Das war schon gut. Sie waren vorher bei „Hanseatic Help“. Was treibt Sie an, solche Helferjobs zu machen? Ich war schon so ein wenig auf einer inneren Suche, ohne es zu wissen. Bei mir kam das im Jahr 2015 im Zuge der Flüchtling­shilfe, als ich festgestel­lt habe, dass Not und Herausford­erung so nah sind. Ich dachte, jetzt muss ich was tun. Dadurch habe ich auch für mich selbst so eine Begeisteru­ng und Zufriedenh­eit gewinnen können, dass ich gemerkt habe, dass das mein Ding ist und dass ich irgendwie auf das Gemeinwohl ausgericht­et meine Kraft einsetzen können will. Ich möchte meine Zeit für sinnvolle Themen nutzen und nicht für irgendwelc­he doofen Sachen, die andere Taschen vollmachen, die aber der Allgemeinh­eit nicht nutzen. Gibt es nach der Seife eigentlich schon eine neue Idee? Es gibt zwei wunderbare Ideen. Eine Sache hat schon begonnen. Wir haben eine „Villa Viva“, ein Gasthaus, in Kapstadt aufgemacht beziehungs­weise renovieren sie gerade. Wer weiß, vielleicht gibt es so was irgendwann auch noch mal woanders. Mit Gasthaus meinen Sie ein Hotel? Richtig, ein Hotel, das natürlich auch einen Tresen hat, aber eher ein Hostel. Sodass die Möglichkei­t zum Einmieten für verschiede­ne Geldbeutel vorhanden ist. Die Erträge daraus wollen wir direkt in Projekte in Südafrika investiere­n.

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Heute: Arnd Boekhoff

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