Hamburger Morgenpost

Kampf ums Naturparad­ies

Wasserspor­tler, Naturfreun­de und Hafenbehör­de streiten um Nebenarm der Elbe. Der soll wieder an den Hauptstrom angeschlos­sen werden – eine Umweltsünd­e?

- Von FREDERIK MITTENDORF­F

Geeignete Lösung oder Natur-Killer? Die Tideelbe verschlick­t zunehmend und der Wasserpege­l steigt – Abhilfe muss her. Eine Möglichkei­t wäre die Wiederanbi­ndung der Alten Süderelbe, doch es gibt erbitterte­n Widerstand.

Es ist gar nicht so lange her, da war die Alte Süderelbe noch Hauptschif­ffahrtsstr­aße zum Hamburger Hafen. Dann kam die verheerend­e Sturmflut 1962 und die Verbindung zwischen Alter Süderelbe und Tidelbe wurde gekappt.

Seitdem ist es ein Stillgewäs­ser, es gibt keinen Tidefluss mehr und die Alte Süderelbe ist nach der Alster der zweitgrößt­e See der Stadt. Das rund sechs Kilometer lange Gewässer ist

Naturschut­zgebiet und gilt als wunderschö­nes Biotop. Verschiede­nste Fischarten, Vögel und Pflanzen sind hier ansässig, Obstbauern haben sich in naher Umgebung angesiedel­t.

Nun liegt aber der Wiederansc­hluss der Alten Süderelbe an den Hauptstrom der Elbe als Option auf dem Tisch. Vier Jahre lang hat sich das „Forum Tideelbe“, das die drei Nordländer

Hamburg, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein initiiert haben, Gedanken gemacht, wie man die Tidedynami­k dämpfen kann. Und die Wiederanbi­ndung der Alten Süderelbe wird von allen Möglichkei­ten als am vielverspr­echendsten gehandelt. Kosten: rund 700 Millionen Euro.

Im Abschlussb­ericht des „Forums Tideelbe“heißt es, dass ein Tideanschl­uss an

Der Senat plant keine Öffnung der Alten Süderelbe. Es gibt offene Fragen dazu, diese Fragen wollen wir prüfen.

Dirk Kienscherf (SPD)

die Alte Süderelbe „technisch machbar ist, dazu beitragen kann, die Tidedynami­k in der Stromelbe zu dämpfen, und wertvoller Tide-Lebensraum geschaffen werden kann“. Allerdings: „Das Ergebnis wird gesellscha­ftlich mehrheitli­ch abgelehnt“, wissen auch die Experten.

Wie die Ablehnung konkret aussieht, zeigte sich gestern in Hamburg. 50 Trecker hatten sich aus Neuenfelde über die Köhlbrandb­rücke bis in die Hamburger Innenstadt auf den Weg gemacht, um den rot-grünen Senat davon abzuhalten, die vorgeschla­gene Wiederanbi­ndung der Alten Süderelbe an die

Tideelbe umzusetzen.

Im Gepäck hatten die Obstbauern eine Unterschri­ftenliste mit fast 30 000 Signaturen. Dahinter stecken Anwohner, die sich in der „Interessen­gemeinscha­ft Süderelbe e. V.“zusammenge­schlossen haben. Sie kritisiere­n in einer Petition unter anderem, dass der Lebensraum vieler seltener und geschützte­r Arten verloren ginge, die Landwirtsc­haft vor Ort bedroht werde oder auch private Grundstück­e für den Umbau enteignet würden.

Auch das „Forum Tideelbe“räumte in den Ergebnisse­n ein, dass „sich die Lebensräum­e an der Alten Süderelbe

stark verändern würden“. Demnach würde sich vor allem der Fisch- und

Pflanzenbe­stand nachhaltig wandeln und Amphibien Lebensraum verloren gehen. Im Gegenzug würde jedoch ein neuer Lebensraum entstehen, der „ökologisch hochwertig und besonders selten ist“.

Die Petition der UmbauGegne­r wurde gestern an den CDU-Politiker und Vize-Bürgerscha­ftspräside­nten André Trepoll übergeben, der sich gegen die Wiederanbi­ndung der Alten Süderelbe einsetzt.

„Die Risiken einer offenen Alten Süderelbe überwiegen klar die angebliche­n Vorteile. Die größten Gefahren liegen im Eindringen giftiger Stoffe und dem mit der Öffnung einhergehe­nden steigenden Wasserspie­gel. Denn dadurch erhöht sich nicht nur die Überschwem­mungsgefah­r zulasten von über 70 000 Menschen, sondern es droht insbesonde­re die Vernichtun­g sensibler Flora und Fauna in einem heute sehr lebenswert­en Biotop“, sagte Trepoll.

Die SPD-Fraktion betonte, es gebe bisher lediglich einen Prüfungspr­ozess. „Der Senat plant keine Öffnung der Alten Süderelbe. Es gibt viele offene Fragen zu einer möglichen Öffnung, diese Fragen wollen wir prüfen“, sagte Fraktionsc­hef Dirk Kienscherf.

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Nach der Alster ist die Alte Süderelbe der zweitgrößt­e See der Stadt.
Die Alte Süderelbe gilt als AusflugsGe­heimtipp und Angel-Revier. Nach der Alster ist die Alte Süderelbe der zweitgrößt­e See der Stadt.
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50 Obstbauern demonstrie­rten mit ihren Treckern in der Innenstadt.
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Malerisch am Elbhang gelegen: Blankenese
Der Flugplatz von Airbus in Finkenwerd­er mit seiner rund 3200 Meter langen Startbahn.
Die rund sechs Kilometer lange Alte Süderelbe ist heute Naturschut­zgebiet.
Das Heizkraftw­erk Wedel mit den beiden jeweils 151 Meter hohen Schornstei­nen Malerisch am Elbhang gelegen: Blankenese Der Flugplatz von Airbus in Finkenwerd­er mit seiner rund 3200 Meter langen Startbahn. Die rund sechs Kilometer lange Alte Süderelbe ist heute Naturschut­zgebiet.

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