Kampf ums Naturparadies
Wassersportler, Naturfreunde und Hafenbehörde streiten um Nebenarm der Elbe. Der soll wieder an den Hauptstrom angeschlossen werden – eine Umweltsünde?
Geeignete Lösung oder Natur-Killer? Die Tideelbe verschlickt zunehmend und der Wasserpegel steigt – Abhilfe muss her. Eine Möglichkeit wäre die Wiederanbindung der Alten Süderelbe, doch es gibt erbitterten Widerstand.
Es ist gar nicht so lange her, da war die Alte Süderelbe noch Hauptschifffahrtsstraße zum Hamburger Hafen. Dann kam die verheerende Sturmflut 1962 und die Verbindung zwischen Alter Süderelbe und Tidelbe wurde gekappt.
Seitdem ist es ein Stillgewässer, es gibt keinen Tidefluss mehr und die Alte Süderelbe ist nach der Alster der zweitgrößte See der Stadt. Das rund sechs Kilometer lange Gewässer ist
Naturschutzgebiet und gilt als wunderschönes Biotop. Verschiedenste Fischarten, Vögel und Pflanzen sind hier ansässig, Obstbauern haben sich in naher Umgebung angesiedelt.
Nun liegt aber der Wiederanschluss der Alten Süderelbe an den Hauptstrom der Elbe als Option auf dem Tisch. Vier Jahre lang hat sich das „Forum Tideelbe“, das die drei Nordländer
Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein initiiert haben, Gedanken gemacht, wie man die Tidedynamik dämpfen kann. Und die Wiederanbindung der Alten Süderelbe wird von allen Möglichkeiten als am vielversprechendsten gehandelt. Kosten: rund 700 Millionen Euro.
Im Abschlussbericht des „Forums Tideelbe“heißt es, dass ein Tideanschluss an
Der Senat plant keine Öffnung der Alten Süderelbe. Es gibt offene Fragen dazu, diese Fragen wollen wir prüfen.
Dirk Kienscherf (SPD)
die Alte Süderelbe „technisch machbar ist, dazu beitragen kann, die Tidedynamik in der Stromelbe zu dämpfen, und wertvoller Tide-Lebensraum geschaffen werden kann“. Allerdings: „Das Ergebnis wird gesellschaftlich mehrheitlich abgelehnt“, wissen auch die Experten.
Wie die Ablehnung konkret aussieht, zeigte sich gestern in Hamburg. 50 Trecker hatten sich aus Neuenfelde über die Köhlbrandbrücke bis in die Hamburger Innenstadt auf den Weg gemacht, um den rot-grünen Senat davon abzuhalten, die vorgeschlagene Wiederanbindung der Alten Süderelbe an die
Tideelbe umzusetzen.
Im Gepäck hatten die Obstbauern eine Unterschriftenliste mit fast 30 000 Signaturen. Dahinter stecken Anwohner, die sich in der „Interessengemeinschaft Süderelbe e. V.“zusammengeschlossen haben. Sie kritisieren in einer Petition unter anderem, dass der Lebensraum vieler seltener und geschützter Arten verloren ginge, die Landwirtschaft vor Ort bedroht werde oder auch private Grundstücke für den Umbau enteignet würden.
Auch das „Forum Tideelbe“räumte in den Ergebnissen ein, dass „sich die Lebensräume an der Alten Süderelbe
stark verändern würden“. Demnach würde sich vor allem der Fisch- und
Pflanzenbestand nachhaltig wandeln und Amphibien Lebensraum verloren gehen. Im Gegenzug würde jedoch ein neuer Lebensraum entstehen, der „ökologisch hochwertig und besonders selten ist“.
Die Petition der UmbauGegner wurde gestern an den CDU-Politiker und Vize-Bürgerschaftspräsidenten André Trepoll übergeben, der sich gegen die Wiederanbindung der Alten Süderelbe einsetzt.
„Die Risiken einer offenen Alten Süderelbe überwiegen klar die angeblichen Vorteile. Die größten Gefahren liegen im Eindringen giftiger Stoffe und dem mit der Öffnung einhergehenden steigenden Wasserspiegel. Denn dadurch erhöht sich nicht nur die Überschwemmungsgefahr zulasten von über 70 000 Menschen, sondern es droht insbesondere die Vernichtung sensibler Flora und Fauna in einem heute sehr lebenswerten Biotop“, sagte Trepoll.
Die SPD-Fraktion betonte, es gebe bisher lediglich einen Prüfungsprozess. „Der Senat plant keine Öffnung der Alten Süderelbe. Es gibt viele offene Fragen zu einer möglichen Öffnung, diese Fragen wollen wir prüfen“, sagte Fraktionschef Dirk Kienscherf.