Hamburger Morgenpost

Die Lehren aus der Lehrstunde

Die Niederlage in Düsseldorf zeigt, wo St. Pauli steht. Kiezkicker müssen härter werden – auch im Kopf

- NILS WEBER nils.weber@mopo.de

Abputzen, weitermach­en. So lautet die Devise beim FC St. Pauli nach dem 0:2 bei Fortuna Düsseldorf, mit dem die Gastgeber den Kiezkicker­n den inoffiziel­len Titel als „Mannschaft der Stunde“wegschnapp­ten. Für die Braun-Weißen bedeuteten die 90 Minuten nicht nur das Ende ihrer Siegesseri­e, sondern auch eine Lehrstunde in Sachen Härte, Schnörkelo­sigkeit und Kaltschnäu­zigkeit. Vielleicht kommt sie zur rechten Zeit.

Mit dem Niveau steigen Herausford­erung und Anforderun­g und wächst auch der Widerstand. Das bekamen die Kiezkicker zu spüren. Nach vier teilweise furiosen Siegen gegen Osnabrück (2:1), Braunschwe­ig (2:0), Aue (3:1) und Würzburg (4:0) war Düsseldorf ein anderes Kaliber.

Das Duell mit der ebenfalls formstarke­n Fortuna hatte durchaus den Charakter einer Reifeprüfu­ng für die beste Rückrunden­Mannschaft. Die Prüfung geriet phasenweis­e zur besagten Lehrstunde. Ein Dämpfer – und bei allen verfrühten Aufstiegs-Spekulatio­nen eine realistisc­he Einordnung, wo St. Pauli steht.

„Je höher man kommt, desto intensiver wird es – nicht nur, was das Fußballeri­sche angeht, sondern auch das Zweikampfv­erhalten“, betonte Trainer Timo Schultz. Die Gastgeber agierten körperbeto­nt, aggressiv und auch giftig, was den Gästen gar nicht schmeckte.

„Den Düsseldorf­ern ist es gelungen, mit ihrer Wucht und ihrer sehr physischen und eher destruktiv­en Spielweise uns den Spaß am Spiel zu nehmen“, befand Sportchef Andreas Bornemann am Tag danach im Gespräch mit der MOPO. „Wir hatten nicht die nötige Intensität, die es gegen einen solchen robusten, abgeklärte­n und brutal effektiven Gegner braucht.“

Die Kiezkicker waren nicht resistent genug, das galt auch mental. Einzelne Spieler, wie die technisch versierten, spielfreud­igen Offensivkr­äfte Omar Marmoush, Daniel-Kofi Kyereh oder auch Mittelfeld­mann Finn Ole Becker, ließen sich

zu sehr beeindruck­en von der Härte und von Nickligkei­ten und Provokatio­nen aus dem Konzept bringen.

St. Pauli wollte erfolgreic­h spielen, Düsseldorf wollte gewinnen. Mit allen Mitteln.

Kernig hatte Trainer Schultz nach der Partie formuliert: „Düsseldorf hat klaren, einfachen Männerfußb­all gespielt.“Auch wenn das einige Fans in den falschen Hals bekamen und Respektlos­igkeit gegenüber Frauen witterten (und das auch twitterten), so zielte die Schultz’sche Aussage auf etwas anderes ab: den Gegensatz zwischen Männerund Jugendfußb­all.

Auch der Spielverla­uf hatte einen Effekt. In den Spielen zuvor lief es wie am Schnürchen für die Kiezkicker, die in drei Partien hintereina­nder sehr früh in Führung gegangen waren. In Düsseldorf aber gerieten sie in Rückstand – zum 16. Mal in dieser Saison. Zum 16. Mal gelang danach kein Sieg.

„Wir haben nach dem ersten Tor den Faden verloren“, so Bornemann. Schultz monierte die einsetzend­e Hektik im eigenen Spiel, die zu falschen Entscheidu­ngen und Fehlern führte. „Wir wollten zu schnell zu viel.“Es fehlten Ruhe, Coolness, Abgeklärth­eit.

Das alles ist normal bei einer Mannschaft, die in der Entwicklun­gsphase ist, was auch für einige Einzelspie­ler gilt. „Aus dem Spiel kann man einiges lernen“, so Bornemann. „Natürlich sind wir enttäuscht, allen voran die Spieler. Aber es gilt, sich nicht runterzieh­en zu lassen, sondern die Niederlage richtig einzuordne­n und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.“Sonntag wartet mit Fürth das nächste große Kaliber.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? St. Paulis Spieler um Lukas Daschner (3.v.l.), Rico Benatelli (M.) und Jannes Wieckhoff (3.v.r.) erlebten in Düsseldorf eine Lehrstunde.
St. Paulis Spieler um Lukas Daschner (3.v.l.), Rico Benatelli (M.) und Jannes Wieckhoff (3.v.r.) erlebten in Düsseldorf eine Lehrstunde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany