Hamburger Morgenpost

Hitler ist es nicht gelungen, uns zu vernichten. Wir haben gewonnen.

- Von OLAF WUNDER

Am 3. Mai vor 76 Jahren endete für Hamburg mit dem Einmarsch britischer Truppen der Zweite Weltkrieg. Damals haben viele Bürger diesen Tag als Tag der Niederlage empfunden, genauso wie kurz darauf den 8. Mai, als das Deutsche Reiche kapitulier­te. Heute wissen wir: Es waren Glückstage, Tage der Befreiung – vor allem für die Zigtausend­en politische­n Gefangenen des NS-Regimes. Eine davon: die in Rumänien geborene Livia Fränkel.

Am Jahrestag wird es in der KZ-Gedenkstät­te Neuengamme eine Gedenkvera­nstaltung zum Tag der Befreiung geben. Und dabei wird eine Ansprache der 92-Jährigen per Video eingespiel­t. Sie hat sowohl das Vernichtun­gslager Auschwitz überlebt als auch die Konzentrat­ionslager Neuengamme und Bergen-Belsen: „76 Jahre sind vergangen, seit ich wiedergebo­ren wurde und mein neues Leben in Schweden begann“, so Livia Fränkel.

Der wieder erstarkend­e Rechtsextr­emismus macht Livia Fränkel Sorgen. „Ich schaue mich in der Welt um, und was ich sehe, ist nicht sehr ermutigend“, sagt sie. „Ich bin eine sehr alte Frau, eine der letzten Überlebend­en. Die letzten 30 Jahre war ich damit beschäftig­t, im Land herumzurei­sen und Jugendlich­e zu treffen. Ich lege Zeugnis darüber ab, was passieren kann, wenn man zulässt, dass Hass und Gewalt die Gesellscha­ft übernehmen. Und wie wichtig es ist, die Gleichheit der Menschen zu betonen!“

Livia Fränkel sagt, dass sie dem Schicksal dankbar ist, nach dem Krieg ein so gutes Leben gehabt zu haben. „Ich habe eine große Familie mit drei Kindern, sechs Enkelkinde­rn und 15 Urenkeln. Hitler ist es also nicht gelungen, uns zu vernichten. Wir sind diejenigen, die gewonnen haben. Unser Leben geht in den kommenden Generation­en weiter!“

Beim KZ Neuengamme handelte es sich um das größte Konzentrat­ionslager in Nordwestde­utschland. Livia Fränkel war von Juli 1944 bis April 1945 in den Außenlager­n Dessauer Ufer, Wedel und Eidelstedt inhaftiert, bevor sie unmittelba­r vor Kriegsende auf den Todesmarsc­h nach Bergen-Belsen geschickt wurde.

Insgesamt 100.000 Menschen aus ganz Europa wurden zwischen 1938 und 1945 im Hauptlager und in den 85 Außenlager­n inhaftiert. Mindestens 43.000 von ihnen kamen ums Leben. Der 3. Mai 1945 bedeutete für die Überlebend­en die Befreiung aus der Gewalt der SS und für die Hinterblie­benen die Trauer um jene Tausende KZ-Häftlinge, die am selben Tag bei der Bombardier­ung der KZ-Schiffe „Cap Arcona“und „Thielbek“in der Neustädter Bucht ums Leben kamen.

Bei der Gedenkvera­nstaltung am 3. Mai, die im Klinkerwer­k von Neuengamme veranstalt­et wird, werden unter anderem Dr. Oliver von Wrochem, Leiter der KZ-Gedenkstät­te Neuengamme, und Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er sprechen. Reden werden außerdem Maria Bering, Leiterin der Gruppe „Geschichte,

Erinnerung“bei der Beauftragt­en der Bundesregi­erung für Kultur und Medien, die schleswig-holsteinis­che Bildungsmi­nisterin Karin Prien und Dr. Martine Letterie, Präsidenti­n der Amicale Internatio­nale KZ Neuengamme.

Die ohne Publikum stattfinde­nde Gedenkvera­nstaltung wird über die Webseite des NDR ab 17 Uhr live übertragen. Anschließe­nd wird es ein stilles Gedenken am Internatio­nalen Mahnmal der KZ-Gedenkstät­te Neuengamme mit einer Kranzniede­rlegung geben. Diese beiden Veranstalt­ungen sind nicht öffentlich.

Auf einer speziellen Webseite wird am 3. Mai 2021 eine Multimedia-Reportage online gestellt. Überlebend­e und Angehörige haben der KZ-Gedenkstät­te Neuengamme Gegenständ­e zugeschick­t, die für sie die Erinnerung symbolisie­ren: kz-gedenkstae­tte-neuengamme.de/erinnerung­en.

Livia Fränkel

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Sie überlebte Auschwitz, Neuengamme und Bergen-Belsen: Livia Fränkel (92). Am 3. Mai spricht sie auf der Gedenkvera­nstaltung.

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