Hamburger Morgenpost

EU verklagt AstraZenec­a

IMPFSTOFF-STREIT ESKALIERT Pharmakonz­ern liefert weniger als zugesagt

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BRÜSSEL – Seit Monaten streiten die EU-Kommission und AstraZenec­a über fehlenden Impfstoff. Immer wieder reduziert das Unternehme­n seine Lieferunge­n. Nun wird der Konflikt ein Fall für die Justiz.

Im Streit über ausbleiben­de Impfstoffl­ieferungen hat die EU-Kommission den Hersteller AstraZenec­a verklagt. Die 27 EU-Staaten tragen das Verfahren mit, wie die Brüsseler Behörde gestern mitteilte. Ein erster Termin vor einem belgischen Gericht sei bereits für Mittwoch geplant.

Das Unternehme­n ist sich jedoch keiner Schuld bewusst: Man habe sich an seinen Vertrag mit der EUKommissi­on gehalten und werde sich vor Gericht verteidige­n, hieß es gestern in einer Stellungna­hme. „Wir glauben, dass dieser Rechtsstre­it unbegründe­t ist, und begrüßen die Möglichkei­t, diese Auseinande­rsetzung

so schnell wie möglich beizulegen.“Man werde den EU-Staaten bis Ende April gemäß der Vorhersage fast 50 Millionen Impfdosen liefern. Außerdem arbeite man daran, die Produktion weiter schnellstm­öglich hochzufahr­en, so AstraZenec­a. Hintergrun­d des Konflikts: Der britisch-schwedisch­e Hersteller hatte die Lieferunge­n von Corona-Impfstoff an die Europäisch­e Union in den vergangene­n Monaten immer wieder einseitig drastisch gekürzt. Im ersten Quartal gingen nur 30 Millionen statt 120 Millionen Impfdosen an die 27 Staaten. Für das zweite Quartal werden nach jüngsten Angaben 70 Millionen Dosen erwartet. Ursprüngli­ch waren jedoch 180 Millionen vereinbart.

Aus Sicht der EU-Kommission verstößt der Hersteller damit gegen einen EU-Rahmenvert­rag vom August 2020. Mit der Klage wolle man zunächst die eigenen Forderunge­n gerichtlic­h feststelle­n lassen, hieß es aus der EU-Kommission. Denn der Vertrag enthält zwei zwischen den Partnern umstritten­e Klauseln: Zum einen heißt es, das Unternehme­n müsse „best reasonable efforts“zur Erfüllung der Zusagen unternehme­n – zu Deutsch in etwa „alle vernünftig­en Anstrengun­gen“. AstraZenec­a argumentie­rt, man habe sich daran gehalten; die EU-Kommission sieht das anders.

Der zweite Knackpunkt: AstraZenec­a sichert im Vertrag zu, dass keine anderen Verpflicht­ungen gegenüber Dritten der Erfüllung entgegenst­ehen. Die EU-Kommission wirft dem Unternehme­n jedoch vor, einen Vertrag mit Großbritan­nien bevorzugt bedient zu haben. Großbritan­nien war von AstraZenec­a-Lieferprob­lemen kaum betroffen. Zudem sorgte das Auffinden

von rund 29 Millionen Dosen in einem italienisc­hen AstraZenec­a-Lager für Verstimmun­g. Denn: Auch dieser Impfstoff sollte offenbar nach Großbritan­nien gehen – obwohl das Unternehme­n mit seinen Lieferunge­n in die EU bereits im Rückstand war. Das Verhältnis zwischen der Kommission und dem Unternehme­n ist daher schon länger angespannt, auch ein Schlichtun­gsverfahre­n wurde bereits eingeleite­t. Die Klage ist nun der nächste Schritt – an den Lieferrück­ständen dürfte sich dadurch allerdings nichts ändern.

Ein Großteil des Impfstoffs, der in den EU-Staaten gespritzt wird, stammt derzeit vom deutsch-amerikanis­chen Hersteller Biontech/Pfizer. Neben AstraZenec­a haben außerdem die Präparate von Moderna sowie Johnson & Johnson eine europäisch­e Zulassung.

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Rettender Piks: Die EU wartet immer noch auf zugesagte Dosen des AstraZenec­aVakzins.

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