Fahrt dem Spalter endlich in die Parade!
Nach Wettern über die Werteunion: Liberal, konservativ – wofür steht der CDU-Chef eigentlich?
Der Spalter aus Ankara hat wieder zugeschlagen. Erdogan wähnt die Muslime in Europa in einem „Freiluftgefängnis“. Er weiß, wovon er spricht. Schließlich versucht er, die Kurden in seiner Region in ein ebensolches einzusperren. Aber Sarkasmus beiseite: Dass der türkische Präsident die Situation mit der vor dem Holocaust vergleicht, ist an Dummdreistigkeit kaum zu überbieten. Dass diese Provokation in einer Zeit erfolgt, in der radikale Muslime sich in Deutschland weitgehend unbehelligt vor Synagogen zusammenrotten dürfen, um die Auslöschung Israels zu fordern, macht es umso absurder. Erdogan verfolgt mit derlei Ausfällen ein Ziel: Er will diejenigen Muslime in ihrer Opferrolle bestätigen, die es im Alltag tatsächlich oft nicht leicht haben und sich nach einem Schutzpatron sehnen. Für die deutsche Politik ist das ein Problem und ein Dilemma. Weist sie derlei Irrsinn zurück, wertet sie ihn in gewisser Weise auf. Lässt sie all das unkommentiert stehen, sickert Erdogans Gift der Spaltung ungehindert in die Gesellschaft. Eine neue Regierung muss ihm endlich in die Parade fahren: mit mehr Chancengleichheit hierzulande, aber auch mit mehr
Härte gegen Hasspredigten aus Ankara.
Wir haben eine Werteunion, die heißt Evangelischer Arbeitskreis. Eine andere brauchen wir nicht.
CDU-Chef Armin Laschet
BERLIN/DÜSSELDORF – Lockdown oder Lockern? Klimaschutz oder Kohlekumpanei? Düsseldorf oder Berlin? Liberal oder konservativ? Die Botschaften von CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet waren zuletzt vor allem eins: uneindeutig. Viele fragen sich: Was will Laschet eigentlich? Seine proklamierte Stärke, Positionen vereinen zu können, könnte im Wahlkampf seine größte Schwäche sein.
Diese Woche gab es wieder eine dieser Laschet-Volten. Die zwar im Grunde meist irgendwie erklärbar sind – aber das Wahlvolk bisweilen etwas ratlos zurücklassen: Was würden wir bekommen, wenn wir im Herbst der Union unsere Stimme gäben? Diesmal ging es um Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen und die Parteigruppierung Werteunion, in der dieser Mitglied ist.
Noch am Sonntagabend hatte Laschet Maaßen bei „Anne Will“verteidigt. Und zwar gegen die Vorwürfe von Klimaaktivistin Luisa Neubauer, der verkörpere auch antisemitische Inhalte (MOPO berichtete). Die Beweisführung blieb Neubauer schuldig, dies geschah erst in den folgenden Tagen, vor allem medial, unter anderem in dieser Zeitung.
Am Mittwoch dann schien Laschet etwas nachholen zu wollen. Er sprach bei der digitalen Bundestagung
des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU. Dort betonte er: Dieser, der Arbeitskreis nämlich, sei „die einzige und eigentliche Werteunion“. Denn nur dort werde über konkretes Handeln nach einem christlichen Menschenbild diskutiert. Man brauche keinen Zusammenschluss, der sich nur so nenne, aber Ressentiments schüre und spalte. Ein klarer Wink in Richtung Maaßen und der Parteikolleg:innen in Thüringen einerseits. Und in Richtung liberaler Wähler:innen, die bislang Merkel unterstützen, andererseits: Wir werden deren Linie fortführen.
Gleichzeitig hat Laschet Friedrich Merz in sein Wahlkampf-Team geholt. Eine Botschaft an die konservativen Wähler:innen: Auch ihr könnt weiter auf uns zählen! Und müsst nicht zur AfD abwandern. Konservative Stärkung also auf der einen, Attacke in Richtung konservativer Flügel auf der anderen Seite.
Auch bei den Themen
Klima und Umweltschutz ist es manchmal schwierig, Laschets Haltung zu fassen zu kriegen. Seine schwarzgelbe Koalition in NRW machte eher kohle- und wirtschaftsfreundliche Politik, die oft auf Zeit spielt und von „Fridays for Future“& Co. stets hart kritisiert wurde. Aber nach dem Kabinettsbeschluss für ein neues Klimaschutzgesetz drängelte Laschet gestern nun: „Wir müssen sofort mit der Umsetzung beginnen und dürfen keine Zeit verlieren.“Was in dieser Legislatur noch zu machen sei, müsse man machen.
Dies ist natürlich auch eine Reaktion auf die aktuelle Stärke der Grünen. Vielleicht auch tatsächliche Einsicht. Es entspricht aber vor allem Laschets Sehnsucht nach einer Union als echter Volkspartei. Die eben viele Positionen in sich vereint.
Bislang konnte Laschet sein Selbstverständnis als Versöhner noch nicht ummünzen in gute UmfrageErgebnisse. Allerdings: Die
Union scheint in der Gunst des Wahlvolks langsam wieder aus dem Tal zu klettern. Deutschland ist nun mal ein eher strukturkonservatives Land. Vielleicht überwiegt nach 16 Jahren Merkel bei einigen doch nicht die Wechselstimmung, sondern der Wunsch nach Sicherheit. Will Laschet die vermitteln, sollte er sich langsam festlegen. Ende Juni soll es dazu sogar ein Parteiprogramm der CDU geben.