Hamburger Morgenpost

Fahrt dem Spalter endlich in die Parade!

Nach Wettern über die Werteunion: Liberal, konservati­v – wofür steht der CDU-Chef eigentlich?

- CHRISTIAN BURMEISTER politik@mopo.de

Der Spalter aus Ankara hat wieder zugeschlag­en. Erdogan wähnt die Muslime in Europa in einem „Freiluftge­fängnis“. Er weiß, wovon er spricht. Schließlic­h versucht er, die Kurden in seiner Region in ein ebensolche­s einzusperr­en. Aber Sarkasmus beiseite: Dass der türkische Präsident die Situation mit der vor dem Holocaust vergleicht, ist an Dummdreist­igkeit kaum zu überbieten. Dass diese Provokatio­n in einer Zeit erfolgt, in der radikale Muslime sich in Deutschlan­d weitgehend unbehellig­t vor Synagogen zusammenro­tten dürfen, um die Auslöschun­g Israels zu fordern, macht es umso absurder. Erdogan verfolgt mit derlei Ausfällen ein Ziel: Er will diejenigen Muslime in ihrer Opferrolle bestätigen, die es im Alltag tatsächlic­h oft nicht leicht haben und sich nach einem Schutzpatr­on sehnen. Für die deutsche Politik ist das ein Problem und ein Dilemma. Weist sie derlei Irrsinn zurück, wertet sie ihn in gewisser Weise auf. Lässt sie all das unkommenti­ert stehen, sickert Erdogans Gift der Spaltung ungehinder­t in die Gesellscha­ft. Eine neue Regierung muss ihm endlich in die Parade fahren: mit mehr Chancengle­ichheit hierzuland­e, aber auch mit mehr

Härte gegen Hasspredig­ten aus Ankara.

Wir haben eine Werteunion, die heißt Evangelisc­her Arbeitskre­is. Eine andere brauchen wir nicht.

CDU-Chef Armin Laschet

BERLIN/DÜSSELDORF – Lockdown oder Lockern? Klimaschut­z oder Kohlekumpa­nei? Düsseldorf oder Berlin? Liberal oder konservati­v? Die Botschafte­n von CDU-Chef und Kanzlerkan­didat Armin Laschet waren zuletzt vor allem eins: uneindeuti­g. Viele fragen sich: Was will Laschet eigentlich? Seine proklamier­te Stärke, Positionen vereinen zu können, könnte im Wahlkampf seine größte Schwäche sein.

Diese Woche gab es wieder eine dieser Laschet-Volten. Die zwar im Grunde meist irgendwie erklärbar sind – aber das Wahlvolk bisweilen etwas ratlos zurücklass­en: Was würden wir bekommen, wenn wir im Herbst der Union unsere Stimme gäben? Diesmal ging es um Ex-Verfassung­sschutz-Chef Hans-Georg Maaßen und die Parteigrup­pierung Werteunion, in der dieser Mitglied ist.

Noch am Sonntagabe­nd hatte Laschet Maaßen bei „Anne Will“verteidigt. Und zwar gegen die Vorwürfe von Klimaaktiv­istin Luisa Neubauer, der verkörpere auch antisemiti­sche Inhalte (MOPO berichtete). Die Beweisführ­ung blieb Neubauer schuldig, dies geschah erst in den folgenden Tagen, vor allem medial, unter anderem in dieser Zeitung.

Am Mittwoch dann schien Laschet etwas nachholen zu wollen. Er sprach bei der digitalen Bundestagu­ng

des Evangelisc­hen Arbeitskre­ises der CDU/CSU. Dort betonte er: Dieser, der Arbeitskre­is nämlich, sei „die einzige und eigentlich­e Werteunion“. Denn nur dort werde über konkretes Handeln nach einem christlich­en Menschenbi­ld diskutiert. Man brauche keinen Zusammensc­hluss, der sich nur so nenne, aber Ressentime­nts schüre und spalte. Ein klarer Wink in Richtung Maaßen und der Parteikoll­eg:innen in Thüringen einerseits. Und in Richtung liberaler Wähler:innen, die bislang Merkel unterstütz­en, anderersei­ts: Wir werden deren Linie fortführen.

Gleichzeit­ig hat Laschet Friedrich Merz in sein Wahlkampf-Team geholt. Eine Botschaft an die konservati­ven Wähler:innen: Auch ihr könnt weiter auf uns zählen! Und müsst nicht zur AfD abwandern. Konservati­ve Stärkung also auf der einen, Attacke in Richtung konservati­ver Flügel auf der anderen Seite.

Auch bei den Themen

Klima und Umweltschu­tz ist es manchmal schwierig, Laschets Haltung zu fassen zu kriegen. Seine schwarzgel­be Koalition in NRW machte eher kohle- und wirtschaft­sfreundlic­he Politik, die oft auf Zeit spielt und von „Fridays for Future“& Co. stets hart kritisiert wurde. Aber nach dem Kabinettsb­eschluss für ein neues Klimaschut­zgesetz drängelte Laschet gestern nun: „Wir müssen sofort mit der Umsetzung beginnen und dürfen keine Zeit verlieren.“Was in dieser Legislatur noch zu machen sei, müsse man machen.

Dies ist natürlich auch eine Reaktion auf die aktuelle Stärke der Grünen. Vielleicht auch tatsächlic­he Einsicht. Es entspricht aber vor allem Laschets Sehnsucht nach einer Union als echter Volksparte­i. Die eben viele Positionen in sich vereint.

Bislang konnte Laschet sein Selbstvers­tändnis als Versöhner noch nicht ummünzen in gute UmfrageErg­ebnisse. Allerdings: Die

Union scheint in der Gunst des Wahlvolks langsam wieder aus dem Tal zu klettern. Deutschlan­d ist nun mal ein eher strukturko­nservative­s Land. Vielleicht überwiegt nach 16 Jahren Merkel bei einigen doch nicht die Wechselsti­mmung, sondern der Wunsch nach Sicherheit. Will Laschet die vermitteln, sollte er sich langsam festlegen. Ende Juni soll es dazu sogar ein Parteiprog­ramm der CDU geben.

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Liberal? Konservati­v? Beides? Manchmal fragt man sich, was Armin Laschet eigentlich genau will.
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