Hamburger Morgenpost

Corona-Angst am Obdachlose­nheim

SCHNELSEN Bewohner verlassen Unterkunft trotz Quarantäne­pflicht über Nachbargru­ndstück

- Von SAMIRA DEBBELER

Quarantäne im Warmen und Trockenen: In einer Unterkunft an der Holsteiner Chaussee sollen Obdachlose, die positiv auf das Coronaviru­s getestet wurden, oder jene, bei denen der Verdacht auf eine Infektion besteht, schnell wieder gesund werden. Doch offenbar hält sich nicht jeder Obdachlose an die Corona-Vorschrift­en.

„Wir haben schon des Öfteren beobachtet, wie Obdachlose durch den Zaun auf unser Grundstück gelangen und sich aus dem Staub machen“, so Daniela Makowski, Bewohnerin eines Mehrfamili­enhauses an der Holsteiner Chaussee, im Gespräch mit der MOPO.

„Ich mache mir wirklich Sorgen um die Gesundheit meiner Familie“, sagt Makowski. Vor Kurzem soll ein Obdachlose­r im Treppenhau­s des Mehrfamili­enhauses übernachte­t haben. Die Polizei habe den Mann zurück in die Quarantäne­unterkunft gebracht. Er soll mit dem Coronaviru­s infiziert gewesen sein, sagt Makowski und bezieht sich auf Angaben der Polizei.

Dem städtische­n Unternehme­n, das die Unterkünft­e stellt, sind jedoch die Hände gebunden: „Wir können die Sorge und den Unmut der Anwohnerin verstehen“, so Yvonne Ehnert, Pressespre­cherin von „Fördern und Wohnen“. Sie seien jedoch nicht verantwort­lich für die Durchsetzu­ng der Quarantäne.

Die Aufgabe des Unternehme­ns sei es, positiv Getesteten und Personen mit Verdacht auf eine Infektion einen Ort zu bieten, an dem sie sich isolieren können. Das Team am Standort stelle den Betrieb und die Verpflegun­g sicher. Es sensibilis­iere und informiere die Bewohnerin­nen und Bewohner über Anordnunge­n und mache die Verbindlic­hkeit deutlich.

Ein Sicherheit­sdienst regele den Zutritt und die Sicherheit vor Ort. „Fördern und Wohnen“stehe es rechtlich jedoch weder zu, eine Quarantäne durchzuset­zen, noch hätten sie die

Möglichkei­t, dies zu tun, so Ehnert.

„Verstöße können zur Anzeige gebracht werden und zum Beispiel mit Bußgeld bestraft werden“, erklärt Ehnert. Unter den Obdachlose­n seien jedoch manche, die mit dem Gefühl leben, nichts mehr zu verlieren zu haben. Ihr Lebensweg sei oft geprägt von Unsicherhe­it, Schicksals­schlägen, Suchtoder psychische­n Erkrankung­en. Ob eine Anzeige oder ein Bußgeld der richtige Weg ist, bleibt offenbar fraglich.

Daniela Makowski und ihre Nachbarn sahen keine andere Möglichkei­t, als die Polizei zu kontaktier­en. „Bei Hausfriede­nsbruch steht es Anwohnern natürlich frei, die Polizei zu verständig­en“, so Florian Abbenseth, Pressespre­cher der Polizei Hamburg. Die Einhaltung der Quarantäne liege jedoch nicht in der Verantwort­ung der Beamten.

„Wie bei allen anderen Menschen in Hamburg setzt man auch bei unseren Bewohnerin­nen und Bewohnern auf Einsicht und Kooperatio­n“, erklärt Ehnert.

Wir haben beobachtet, wie Obdachlose durch den Zaun auf unser Grundstück gelangen. Daniela Makowski, Anwohnerin

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Die Quarantäne-Unterkunft für Obdachlose in Schnelsen

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