Hamburger Morgenpost

„Meine kleine Tochter schrie vor Angst“

NAHOSTKONF­LIKT Israel und die Hamas bombardier­en sich – Leidtragen­de sind die Menschen vor Ort

- Von VIOLA DENGLER

JERUSALEM/GAZA – Für uns in Deutschlan­d sind es „nur“Nachrichte­n: Im Nahen Osten ist der Gazakrieg neu entflammt, Israel und die Palästinen­sergebiete erleben seit Montag immer neue Wellen der Gewalt. Doch für die Menschen vor Ort ist es zum Teil die Hölle: „Was wir erleben, ist unbeschrei­bbar“, erzählen sie. Nicht nur die Bomben sorgen für Todesangst – manchmal sogar die eigenen Nachbarn. ner – die einfache Bevölkerun­g. In Israel starben bislang sechs Zivilisten und ein Soldat durch Geschosse, die Palästinen­ser zählten bis Donnerstag 87 Opfer.

„Die Zivilisten sind immer schutzlos“, sagt der Politikwis­senschaftl­er Usama Antar zum Deutschlan­dfunk. Er lebt mit seiner Familie im Gazastreif­en und schilderte: „Was wir erlebt haben, war unbeschrei­bbar.“Einen Tag habe es um 6 Uhr früh 80 Bombenangr­iffe in nur fünf Minuten im Umkreis von zwei Kilometern gegeben. „Ich habe eine kleine Tochter, die schrie vor Angst.“

Auch auf israelisch­er Seite fallen Bomben. Die Schweizeri­n Tina Fivaz, die seit einiger Zeit in Tel Aviv lebt, berichtet der Zeitung „Blick“über ihre Nächte im Schutzbunk­er: „Man ist in diesem Keller, drei bis vier Meter unter der Erde, und hört nur noch eine Explosion nach der anderen. Es sind richtig laute Schläge und es hallt. Die Vibration ist auch spürbar. Man weiß aber nicht, ob das eine Rakete ist, die gleich einschlägt, oder ob das der Iron Dome (das israelisch­e Raketen-Abwehrsyst­em, Anm. d. Red.) ist.“

Antar sagt: Im Gegensatz zu den Häusern in Israel hätten die Häuser in Gaza keine Bunker. Es gebe nur einige große Gebäude mit einem Keller. Das sei mit ein Grund, warum die zivilen Opfer auf der palästinis­chen Seite so hoch seien. „Wir wissen, dass wir nicht gezielt bombardier­t werden, weil wir unschuldig­e Menschen sind. Wir sind Zivilisten. Wir sind keine Kämpfer.“

Die militärisc­he Auseinande­rsetzung zwischen Israel und der Hamas ist keine neue

Entwicklun­g – bereits 2008, 2012 und 2014 flogen Raketen und Bomben – doch dieses Mal sind die Angriffe aus Gaza so heftig wie nie. Und Israel schlägt genauso hart zurück: Ziel seien unter anderem Kommando-Orte und Raketenver­stecke der Hamas, so ein Sprecher. Das israelisch­e Militär bereitet derzeit eine mögliche Bodenoffen­sive in Gaza vor.

Doch der Krieg findet nicht nur zwischen den beiden Parteien statt, auch lokale Bevölkerun­g bildet zusehends Fronten gegeneinan­der. Die Frage, ob das Gegenüber ein Freund oder Feind ist, prägt derzeit das Miteinande­r: „Es ist das erste Mal, dass ich Angst vor meinen Nachbarn habe“, erzählt Gil Gabay im „Spiegel“. Sie ist eine jüdische Israelin und wohnt in einem Mehrfamili­enhaus in der Kleinstadt Lod. Schon vor der aktuellen Eskalation galt Lod als Brennpunkt von Kriminalit­ät, doch nun hat sich die Lage vor Ort weiter verschärft: Am Montag erschoss ein Jude unter bislang noch ungeklärte­n Umständen einen arabischst­ämmigen Mann. Sein Tod brachte wütende Araber auf die Straßen der Stadt. Sie bewarfen Polizisten mit Steinen, zündeten Autos an und brachen in eine Thoraschul­e ein, wo sie Feuer legten und Gebetsbüch­er verbrannte­n. Die israelisch­e Polizei antwortete mit Blendgrana­ten.

In der Nacht zum Mittwoch schoss die Hamas dann erneut Raketensal­ven auf Israel. Die Sirenen heulten auch in Lod, ein Zeichen für die Anwohner, sich in Sicherheit zu bringen. „Wir haben keinen Schutzraum“sagt Gabay. „Normalerwe­ise hätten wir den Alarm im Treppen

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Kindheit im Krieg: Viele werden wohl für immer traumatisi­ert sein.

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