Kommt da nach dem Sorglos-Sommer noch was auf uns zu?
PANDEMIE Die Delta-Variante breitet sich rasch aus. Sie gilt als ansteckender und gefährlicher
BERLIN – Die Delta-Variante, die zuerst in Indien aufgetaucht war, hält Großbritannien in Atem. Einige Experten sprechen von einer neuen Welle – trotz guter Impfbilanz. Werden wir in Deutschland ein ähnliches Szenario erleben?
Der Sommer ist da – und mit ihm ein Stück Normalität. Die Corona-Zahlen sinken, 28,8 Prozent der Deutschen sind bereits vollständig geimpft, 49,6 Prozent haben zumindest eine Impfdosis erhalten. Die geöffneten Freibäder und Restaurants sowie das Grillen im Park sorgen für gute Laune – aber auch wieder für Treffen in Gruppen.
Die Briten kennen diesen hoffnungsvollen Punkt, an dem die Pandemie endlich überwunden schien. Doch diese Woche hat Premierminister Boris Johnson die noch bestehenden CoronaMaßnahmen um weitere vier Wochen verlängert. Der Grund: Die zuerst in Indien entdeckte Delta-Variante treibt die Zahl der Neuinfektionen wieder in die Höhe.
Am Mittwoch meldeten die Behörden 9055 neue Fälle – so viele wie seit Februar nicht mehr. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg von 20 (Anfang Mai) auf nun knapp 80 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.
In Deutschland hat die Delta-Variante ihren Anteil an den Neuinfektionen binnen einer Woche ebenfalls deutlich gesteigert. Mit 6,2
Prozent in der Kalenderwoche 22 (31. Mai bis 6. Juni) bleibe sie aber weiter relativ selten, heißt es im jüngsten Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Die Bundesregierung hat daher nach Angaben von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bislang noch keine großen Bedenken: „Ich glaube, dass wir den Sommer gut hinbekommen in Deutsch
Der Anstieg lässt erwarten, dass im Herbst die DeltaVariante dominiert.
Karl Lauterbach (SPD)
land“, so Heil. Man müsse jedoch über den Herbst reden, wachsam und vorbereitet sein.
Der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, twitterte: „Der Anstieg lässt erwarten, dass im Herbst die Delta-Variante dominiert. Die gute Nachricht: Doppelt Geimpfte sind zu 90 Prozent geschützt. Die schlechte: Unsere Kinder werden nicht geschützt sein. Das ist ein Fehler.“
Doch was macht die Delta-Variante so gefährlich? Die Mutante ist wesentlich ansteckender als die bislang verbreiteten CoronavirusVarianten. Das Risiko, Angehörige im eigenen Haushalt zu infizieren, ist laut Datenanalyse der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) schätzungsweise 60 Prozent höher. Eine neue Studie aus Schottland, von der Fachzeitschrift „Lancet“veröffentlicht, zeigt zudem: Eine Infektion mit der Delta-Variante verdoppelt das Risiko, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen.
Die Delta-Variante gilt auch deshalb als riskant, da sie offenbar andere Symptome verursacht als die bisher bekannten Varianten. Betroffene klagten über Kopfschmerzen, laufende Nase und raue Kehle. Fieber gehöre auch hier zu den Symptomen, jedoch nicht der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, berichtet „tagesschau.de“. Das bedeute, dass sich Covid-19 für einige jüngere Menschen stärker wie eine einfache Erkältung anfühle, erklärte Tim Spector vom King’s College London, das die Ergebnisse für eine Studie ausgewertet hat.
Die Delta-Variante verbreitet sich schnell. In England sind bereits rund 58 Prozent der Erwachsenen komplett geimpft, dennoch: „Im Moment ist es so, dass (...) es einen Anstieg um ungefähr 50 Prozent jede Woche gibt“, so die Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“. Das sei „ein Warnsignal“. Auch der WHO-Generaldirektor für Europa, Hans Kluge, warnt die europäischen Staaten bereits vor zu starken Lockerungen: Die DeltaVariante
sei im Begriff, sich auf dem ganzen Kontinent durchzusetzen.
Die gute Nachricht: Nach der britischen PHE-Datenanalyse sind vollständig mit Biontech oder AstraZeneca Geimpfte sehr gut gegen schwere Krankheitsverläufe geschützt. Gefährlich kann die Virusvariante jedoch für Ungeimpfte und einfach Geimpfte werden. Ob uns im Herbst eine neue CoronaWelle erwartet, hängt demnach stark von dem Impffortschritt ab.