Hamburger Morgenpost

Mit Miss Piggy im Bett

Anatol Kottes Fotos sind weltberühm­t. In Hamburg eröffnet er ein neues Geschäft. Die Ruges durften schon mal einen Blick hineinwerf­en

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Der Fotograf Anatol Kotte und sein Partner Oliver Heinemann eröffnen Hamburgs ersten Laden für analoge Fotografie. Zeit für Michel Ruge, einen seiner liebsten Fotografen in der KaiserWilh­elm-Straße zu besuchen.

Reeperbahn 2012. Ich habe eine Verabredun­g mit einem der renommiert­esten Fotografen Deutschlan­ds. Einem, vor dessen Kamera bereits einige meiner großen Idole standen so wie Sir Roger Moore, der sieben Mal den James Bond gegeben hat. Oder der Künstler Jörg Immendorff, von dem ein Foto in unserem Atelier auf St. Pauli hängt und den ich als Jugendlich­er noch live erlebt habe. Außerdem der „Easy Rider“Peter Fonda, Charlie Chaplins Tochter, die Schauspiel­erin Geraldine Chaplin, oder Brasiliens erster schwarzer Kulturmini­ster, der Musiker Gilberto Gil. Und selbst Miss Piggy, eine der größten Diven der Welt, hat sich für ihn ins Bett gelegt: Anatol Kotte.

Heute will er meinen Freund Thomas Born („Karate Tommy“) und mich fotografie­ren. Im Boxkeller der Ritze.

Ich will als Erster dort sein und stehe schon eine halbe Stunde vorher zwischen den gespreizte­n Damenbeine­n, an deren Scheitelpu­nkt sich der Eingang zur Ritze befindet. Wähend ich warte, humpelt ein ann an Krücken auf die ür zu und ich denke: „Oh an, nicht mal ein gebrohenes Bein hält den Tyen vom Saufen ab.“Der erl verschwind­et im Ineren des Hauses und als ch ihm ein paar Minuten päter folge, erfahre ich on der Witwe des Rite-Gründers Hanne Kleie, dass Thomas Born Hausverbot hat. Mir richt der Schweiß aus. n wenigen Augenblike­n trifft hier der Starfotogr­af ein und wir dürfen die Location nicht nutzen. Es soll mein erstes Shooting mit einem dermaßen bekannten Fotografen sein und bei der Vorstellun­g, was der ganze Aufwand kostet, werden meine Knie kurz weich. Ich verhandle mit der Wirtin und sie gestattet schließlic­h, dass wir im Boxkeller fotografie­ren dürfen. In diesem Moment kommt der Kerl an Krücken aus dem hinteren Teil der Ritze auf mich zu und stellt sich als Anatol Kotte vor. Ich ahne: Das wird kein leichter Tag.

Und tatsächlic­h kommt es oben im Laden, während ich Anatol Kotte dabei helfe, im Untergesch­oss die Lichter aufzubauen, zum Eklat. Ich höre Thomas Born brüllen und flitze nach oben. Er fetzt sich lautstark mit der Wirtin. „Ich regle das hier. Fang

du schon mal an“, sagt er zu mir, damit das Shooting wenigstens pünktlich beginnt und wir den Superfotog­rafen nicht warten lassen. Und weil mein Freund Thomas Born in Hamburg „weltberühm­t“war, hat es die Auseinande­rsetzung am nächsten Tag doch tatsächlic­h auf den Titel dieser Zeitung geschafft. Die Fotos von Anatol Kotte sind ebenfalls großartig geworden und gefallen mir nach wie vor so gut, dass ich sie bis heute benutze. später, stehe ich mit Anatol Kotte vor einem Gebäude in der Kaiser-Wilhelm-Straße 73. „Hier kommt der Laden rein“, sagt er, „rechts die Galerie und links eröffnet Starkoch Tarik Rose ein Restaurant. Aber erst mal macht der Laden am 23. Juni auf.“Der Laden, das ist Hamburgs erster Shop für analoge Fotografie. „Die erlebt schon seit einiger Zeit eine Renaissanc­e. In Berlin gibt es bereits ein paar Läden, in denen man Kameras und Filme kaufen kann, in Hamburg bisher nicht“, erklärt Anatol, als wir die Fläche betreten. Entdeckt hat sie Oliver Heinemann bereits 2018 und bespielt sie jetzt gemeinsam mit seinem ehemaligen Lehrer. „Ich habe das Fotografie­ren als Assistent von Anatol gelernt“, erzählt Oliver. Später sind die beiden gemeinsam acht Jahre um die Welt gereist, haben internatio­nale Fotokampag­nen produziert und kennen sich in- und auswendig. „Fast besser als unsere Ehepartner und deshalb wissen wir, dass wir als Team super funktionie­ren“, sagt Anatol und zeigt auf das frisch eigebaute Interieur. An den Wänden stehen hölzerne Vitrinen aus den 1930er Jahren, die Anatol und Oliver aus einer alten Drogerie in Sachsen geholt haben. Einsam steht eine alte ARTKamera mit dem Namen Louis Nikón hinter Glas. „Die ist nicht mehr lange allein. Im Lager warten rund 500 analoge Kameras auf ihre neuen Besitzer“, sagt Oliver. Anatol winkt Anni und mich hinter die Vitrinen. Dort öffnet sich ein kleiner Flur. „Hier links die Trephoch pen kommt unFotoschu­le sere rein, in der wir künftig Workshops anbieten. Darunter das Farblabor, denn unsere Kunkönnen den ihre Filme direkt bei uns abgeben und entwickeln lassen. Alles in Handarbeit und deshalb sind wir nicht so günstig wie eine Drogerie, ab er auch nicht so teuer wie ein Profilabor“, erklärt Anatol und verschwind­et hinter einer provisoris­chen Plastiktür zur Rechten. Anni und ich klettern hinterher und stehen in Anatols neuer Galehier rie, die im September öffnet. „Eigentlich ist sie nicht neu. Nur die Räumlichke­iten, denn sie heißt wie meine alte Galerie in Berlin auch Capitis.“Mitten im Raum führt eine Treppe ins Untergesch­oss. Wir folgen dem Fotografen in die Dunkelheit, die er mit seiner Handy-Taschenlam­pe erleuchtet. „Hier wird alles weiß vom Boden bis zur Decke und ein ausgeklüge­ltes Lichtsyste­m sorgt für die perfekte Beleuchtun­g“, sagt Anatol und ich merke, dass er für diese Fläche brennt. Anni ebenfalls, denn sie erkundet mit unserer Tochter Jaguar auf dem Arm alle Ecken. Aus dem Halbdunkel höre ich ihre Stimme: „Wohin führt diese Tür?“, fragt sie. „Direkt ins Restaurant. So können wir bei Events das Catering quasi direkt durch die Wand reichen. Und andere übrigens auch, denn wir werden die Fläche auch vermieten“, sagt Anatol und leuchtet uns den Weg zurück ins Tageslicht.

Alles wirkt sehr durchdacht. Genauso macht er es bei seinen Fotoproduk­tionen. Lange bevor er die tatsächlic­hen Aufnahmen macht, hat er Aufbau und Szenerie bereits geplant, das Bild im Kopf. Nichts wird dem Zufall überlassen. Das gefällt vor allem den Politikern, die meist sehr wenig Zeit mitbringen, wenn Anatol Kotte sie porträtier­t. So wie Wolfgang Schäuble. „Der“, so erzählt Anatol, „leicht genervt zum Fototermin kam, in der Annahme, dass das jetzt Stunden dauert. Ich hatte das Bild in fünf Minuten im Kasten. Als Schäuble den Raum verließ, hörte ich noch, wie er zu seinem Mitarbeite­r sagte, dasch wie dehn ja nu öfter buche könne.“So ist auch das Porträt von Angela Merkel, das auf dem Cover des „Time Magazine“um die Welt ging, in wenigen Minuten entstanden.

„Nur das Foto mit Miss Piggy hat etwas länger gedauert. Sie ist eben eine echte Diva, die keine fünf Minuten still sitzen kann. Deshalb habe ich sie mit Schlafmask­e im Bett im Berliner Ritz porträtier­t“, so Anatol lachend. Und ich freue mich, dass er künftig quasi um die Ecke seine Galerie hat und auf unsere neue alte Analogkame­ra, die Anni und ich uns jetzt anschaffen. Ich bitte Anatol dann um eine kurze Einweisung und mit etwas Glück knipst er dabei zur Demonstrat­ion ein Foto von uns dreien, das wir Jaguar dann zum 18. Geburtstag schenken. Einen echten Kotte.

Schäuble kam leicht genervt zum Fototermin, in der Annahme, dass das jetzt Stunden dauert.

Anatol Kotte

Analoge Fotografie erlebt schon seit einiger Zeit eine Renaissanc­e.

Anatol Kotte

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Kottes neuer Laden: Noch sind die Regale leer, aber bis zur Eröffnung ist alles fertig!
 ??  ?? Anatol Kotte (l.) empfängt die Ruges vor seinem neuen Projekt, einem Laden für analoge Fotografie.
Anatol Kotte (l.) empfängt die Ruges vor seinem neuen Projekt, einem Laden für analoge Fotografie.
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Ein echter Hingucker: Miss Piggy legte sich für den Starfotogr­afen ins Bett. Ganz Diva mit Schlafbril­le.

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