Hamburger Morgenpost

Zwei Christen, bespitzelt vom Verfassung­sschutz

NATO-DOPPELBESC­HLUSS Theo Christians­en und Ulrich Hentschel organisier­ten vor 40 Jahren die erste große Friedensde­mo

- Von OLAF WUNDER

Der Kriegsklot­z. Das schauerlic­he Denkmal am Dammtorbah­nhof. Wer die in Stein gemeißelte­n Wehrmachts­soldaten betrachtet, kann regelrecht hören, wie ihre Knobelbech­er auf den Asphalt knallen. Links, links, links, zwo, drei vier ...

An diesem Ort sind wir verabredet mit zwei Männern, die mit Militär so gar nichts am Hut haben. Die es vorziehen, aus der Reihe zu tanzen, statt im Gleichschr­itt zu marschiere­n. Pazifisten sind sie. Waren sie immer. Und ihre Stunde schlug 1981, als sie gemeinsam mit vielen Mitstreite­rn die erste große Friedensde­mo seit der Ostermarsc­h-Bewegung Ende der 50er Jahre auf die Beine stellten. 120.000 Menschen, die genau hier, vor diesem Monument des Hasses, ihren Protestzug starteten. Am Sonntag sind 40 Jahre vergangen.

Pastor Ulrich Hentschel (71) ist der eine. Der andere Theo Christians­en (63). Wir zeigen den beiden alte Schwarz-Weiß-Bilder aus dem Archiv. Eindrucksv­olle

Aufnahmen: Hamburgs Straßen voll mit Menschen. Transparen­te, auf denen „Heldentod ohne uns“steht oder „Gegen den Atomtod – kämpft für das Leben“.

Beim Betrachten der Fotos sagt Ulrich Hentschel: „Dass so viele mitmachen würden, damit hatten wir nicht gerechnet. 120.000! Das war unglaublic­h.“Und Theo Christians­en, damals der Anmelder der Demo, sagt: „Wir wollten möglichst viele Menschen auf die Straße bringen, damit deutlich wird, dass nicht nur ein paar linke Spinner gegen das Wettrüsten

sind. Das haben wir geschafft.“

Es ist Kalter Krieg. Ende der 1970er Jahre fühlt sich der Westen durch die Stationier­ung sowjetisch­er Mittelstre­ckenrakete­n vom

Typ SS-20 in Osteuropa bedroht. Bundeskanz­ler Helmut Schmidt (SPD) fordert Gegenmaßna­hmen. So verabschie­det das westliche Verteidigu­ngsbündnis

1979 den NATO-Doppelbesc­hluss: Gelingt es nicht, die

UdSSR dazu zu bewegen, die Raketen wieder abzuziehen, werden die USA ihrerseits welche in Europa stationier­en. Das ist die Drohung. Das „Gleichgewi­cht des Schreckens“, so die Logik der Militärs, muss immer gewahrt sein.

Die Zahl der Bürger, die fürchten, Europa könne zum Schlachtfe­ld eines atomaren Krieges werden, wächst. Immer mehr Menschen fordern, endlich damit aufzuhören, noch mehr und

20. Juni 1981

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Theo Christians­en (l.) und Ulrich Hentschel. Die Friedensde­mo, die sie vor 40 Jahren initiierte­n, startete genau hier: vorm Kriegerden­kmal am Dammtor.

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