Hamburger Morgenpost

Arroganz als Prinzip

ANALYSE Olaf Scholz kann Kanzler, keine Frage. Das Problem ist sein antiquiert­er Stil

- MATHIS NEUBURGER mathis.neuburger@mopo.de

Olaf Scholz will Bundeskanz­ler werden. Dass er das fachlich kann, bezweifelt niemand. Das Problem ist sein antiquiert­er Stil. Das zeigt – mal wieder – sein Verhalten in der WirecardAf­färe. Scholz ist ein Mann der Vergangenh­eit.

„Never complain, never explain“(Beschwere dich nie, erkläre dich nie) – das gibt Scholz gerne in der für ihn so typischen, kauzig in sich hineinlach­enden Art als sein Motto aus. Das klingt markig, zupackend und wenig zimperlich oder gar weinerlich. Und so will Scholz ja auch gesehen werden, als Macher, der nicht zurückscha­ut.

Das Problem: Scholz’ Motto stammt aus dem England des 19. Jahrhunder­ts und wird besonders gerne von der königliche­n Familie genutzt. Die ist damit zuletzt nicht besonders gut gefahren. Denn: Es passt einfach nicht mehr in die Zeit. Und so ergeht es auch Scholz.

Heutzutage gilt eine ausgeprägt­e Fehlerkult­ur als Tugend. Fehler kann man machen, weil jeder sie macht. Man muss nur dazu stehen. Scheitern gilt sogar als sinnvoll, als notwendige­s und möglichst lehrreiche­s Übel auf dem Weg zum Erfolg.

Scholz kann das nicht. Die gescheiter­te Olympia-Bewerbung Hamburgs? Lag nicht an ihm oder dem Konzept, sondern an den ängstlich-unvisionär­en Hamburgern. Das G20-Desaster? Fehler wurden nicht gemacht, Polizeigew­alt gab es nicht. Basta. Der Warburg-Skandal? Scholz kann sich an nichts erinnern, und falsch gemacht hat er natürlich sowieso nichts. Und jetzt eben Wirecard.

Im Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag zu dem Milliarden­desaster ist deutlich geworden, dass wesentlich­e Fehler unter den Augen des Finanzmini­steriums passiert sind. Wenn es also eine politische Verantwort­lichkeit gibt, dann liegt diese bei Scholz.

Scholz müsste sich also hinstellen und ehrliches Bedauern äußern. Er müsste dabei gar nicht zurücktret­en, wie es die AfD fordert. Er müsste nur Verantwort­ung übernehmen. Aber Scholz kann das nicht.

Denn er kommt aus einer anderen Zeit, in der Fehler als Schwäche galten. Dabei versöhnt es, wenn jemand Fehler eingesteht. Es erlaubt, in einem Prozess nach Ursachen zu forschen, vor allem es beim nächsten Mal besser zu machen.

Bei Scholz dagegen hat man das Gefühl, man wird, siehe Warburg-Skandal oder G20, schlicht für dumm verkauft. Aber auch das ist kein Zufall. Scholz hält sich nun mal für oberschlau. Diese Überzeugun­g ist so ausgeprägt, dass er arrogant und abgehoben wirken kann – wie die königliche Familie in England. Und so ist auch sein Umgang mit Fehlern, die in einer so langen Karriere unweigerli­ch passieren, prinzipiel­l arrogant.

Am Ende ist es tragisch: Einer der talentiert­esten Politiker, der das Land sicherlich auf Augenhöhe mit den Führern der Welt regieren könnte, scheitert an etwas, das man schon Kindern beibringt: im entscheide­nden Moment „Entschuldi­gung“zu sagen.

Bei Olaf Scholz hat man das Gefühl, man wird, siehe WarburgSka­ndal oder G20, schlicht für dumm verkauft.

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Olaf Scholz ist ein guter Redner, nur Verantwort­ung übernimmt er selten.
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