Das plant der Senat
CORONA-ENTWICKLUNG Die Infektionszahlen steigen, die Impfquoten aber auch
Die Corona-Zahlen in Hamburg steigen. Seit über einer Woche ist die Corona-Inzidenz wieder zweistellig. Vor allem Reiserückkehrer treiben die Neuinfektionen nach oben, sind mittlerweile für ein Viertel der gemeldeten Fälle verantwortlich. Gleichzeitig erhöht sich die Impfquote. Wie geht es in Hamburg mit der Pandemie-Bekämpfung nun weiter, welche Kennzahlen sind entscheidend und was plant die Politik?
Und wieder stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in Hamburg. Gestern lag sie bei 16,9. Anfang Juli war es noch die Hälfte. Wenn das so weitergeht, könnte die Sieben-TageInzidenz Modellberechnungen zufolge bereits in einem Monat wieder an der kritischen 50er-Marke kratzen.
Die Verdoppelungszeit der gemeldeten Corona-Infektionen liegt derzeit bei rund 14 Tagen. Modellrechnungen sind zwar immer anfällig für fehlerhafte Prognosen. Fakt ist aber, dass der R-Wert in Hamburg über 1 liegt, die Zahl der Positivtests wieder ansteigt und die deutlich ansteckendere DeltaVariante immer mehr in Hamburg durchschlägt.
Dem entgegen steht die immer höhere Impfquote und die Frage, ob der Fokus auf den Inzidenzwert überhaupt noch sinnig ist. Mittlerweile sind in Hamburg 44,5 Prozent
der Bevölkerung voll geschützt, 61,1 Prozent haben zumindest eine Impfung erhalten. Zuletzt wurden deswegen die Stimmen lauter, Maßnahmen nicht mehr so strikt an die Inzidenz zu koppeln, sondern beispielsweise die Hospitalisierungsrate, also die Inanspruchnahme von Ressourcen der stationären Akutversorgung, stärker in den Fokus zu rücken.
„Ich halte es für sehr realistisch, dass wir zu einer Doppelbewertung kommen. Die Inzidenz ist ein Faktor, der Hospitalisierungsgrad der zweite“, hatte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) dazu gesagt.
In den Kliniken ist die Lage derweil übersichtlich, auch wenn die Ampel des Intensivbettenregisters
Divi immer mal wieder tageweise auf „Gelb“springt. Die betroffenen Krankenhäuser melden damit, dass ihre Kapazitäten an Intensivbetten vorübergehend „begrenzt“seien. Spielen da bereits die steigenden Inzidenzahlen der Delta-Variante eine Rolle? „Nein“, sagt Intensivmediziner Prof. Christian Weber, Chefarzt an der Asklepios Klinik Wandsbek. „Das ist ein normaler Vorgang. Auch für die Pflegekräfte ist jetzt Urlaubszeit und das wirkt sich auf die Zahl der verfügbaren Intensivbetten aus. Das ist aber auch eine Auswirkung des
Fachkräftemangels, unter dem alle Krankenhäuser leiden.“
Bei den Corona-Patienten, die auf den Intensivstationen liegen, handele es sich um Schwererkrankte im Alter zwischen 30 und 60 Jahren, der dritten, teilweise gar der zweiten Welle, die viele Wochen behandelt werden müssen. Bisher seien nur sehr wenige Infizierte mit der Delta-Variante in Hamburger Krankenhäusern aufgenommen worden, so Dr. Weber. Ob das angesichts der steigenden Inzidenzen so bleibt, dazu äußert der Intensivmediziner sich vorsichtig: „Der Blick nach England macht Mut: Die Zahl der Intensivpatienten ist trotz sehr hoher Inzidenzen nur wenig gestiegen. Andererseits könnten in Zukunft überwiegend jüngere Patienten betroffen sein, die teilweise besonders lange intensivmedizinisch behandelt werden müssen.“
Bislang schaut sich der Senat die Gemengelage aus steigender Impfquote bei gleichzeitig steigenden Zahlen noch ziemlich zurückhaltend an. Die öffentliche Kommunikation beschränkt sich auf die Mobilisierung von Impfwilligen. So können zum Beispiel Studierende ab Mittwoch eine Woche lang ohne Termin im Impfzentrum vorbeikommen und sich eine Spritze abholen.
In Schleswig-Holstein hingegen wird trotz ebenfalls steigender Zahlen weiter gelockert. Dort gelten ab Montag laschere Kontaktregeln und die Aufhebung der Testpflicht in der Gastronomie. Niedersachsen wiederum wird vorerst bei der Bewertung der Lage beim Fokus auf die Inzidenz bleiben – bis Bund und Länder neue Richtlinien erarbeitet haben. Bedeutet: Dort können ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 35 oder 50 auch automatisch wieder härtere Maßnahmen greifen.
Ob Hamburg am Stufenplan festhält oder die Parameter zur Einschätzung der Lage ändert, ist offen. Obwohl die Zahlen steigen und es einen Fahrplan für die kommenden Wochen braucht, wurde gestern die Landespressekonferenz abgesagt. Bleibt also abzuwarten, ob Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) an seinem vorsichtigen Kurs festhält und bald wieder strengere Maßnahmen ergreift. Er wird sich äußern müssen, am 30. Juli läuft die aktuelle Eindämmungsverordnung aus.