Hamburger Morgenpost

Doppelt geimpft und trotzdem infiziert: Die Fakten

Was in Hamburg über die Eigenarten von Delta bekannt ist:

- ANN-CHRISTIN BUSCH ann-christin.busch@mopo.de

Es könnte zu Ansteckung­en anderer Menschen durch negativ getestete Personen kommen.

Hartmut Hengel, Virologe

Doppelte Impfung, negativer Test – trotzdem infiziert. In Hamburg mussten kürzlich 130 Menschen wegen eines solchen Falls bei einem Reiserückk­ehrer aus Spanien in Quarantäne. Die MOPO zeigt, wie das passieren kann und warum Hamburgs Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) strengere Einreisere­geln fordert.

➤ Was ist in Hamburg passiert?

Ein Spanien-Urlauber hatte kurz nach seiner Rückkehr zwei Lokale in St. Georg besucht. Er war vollständi­g geimpft und negativ getestet. Später stellte sich allerdings heraus, dass er sich doch mit dem Coronaviru­s infiziert hatte – 130 Besucher aus den beiden Lokalen mussten in Quarantäne.

Corona-Fälle im Zusammenha­ng mit Auslandsre­isen nehmen laut der Sozialbehö­rde

seit Anfang Juni zu. Für fast ein Viertel aller Corona-Infektione­n in den letzten sieben Tagen wurde ein Infektions­ort im Ausland verzeichne­t. Mehr als die Hälfte der Urlauber kamen aus Spanien. ➤ Was fordert Bürgermeis­ter Peter Tschent

scher (SPD)? Tschentsch­er fordert, dass Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten mindestens fünf Tage zu Hause bleiben und diese Quarantäne erst nach einem negativen PCR-Test verlassen dürfen. Zur „Bild am Sonntag“sagte er, dass die aktuell genutzten AntigenSch­nelltests bei Einreisen aus Risikogebi­eten unzuverläs­sig seien und schlecht kontrollie­rt würden. ➤ Wie genau ist der Antigen-Schnelltes­t bei Geimpften? Was für die Geimpften gut ist, kann das Testen erschweren: Vollständi­g Geimpfte, die sich mit dem Coronaviru­s infizieren, scheiden meist weniger Viren aus. Die geringere Viruslast kann zu einem falsch-negativen Ergebnis bei Schnell- und Selbsttest­s führen.

Der Schnelltes­t ist weniger sensibel als ein PCRTest und braucht eine gewisse Viruslast, um anzuschlag­en. „Es könnte so zu Ansteckung­en anderer Menschen durch negativ getestete Personen kommen“, sagt Hartmut Hengel, ärztlicher Direktor des Instituts für Virologie des Unikliniku­ms Freiburg, dem Magazin „Business Insider“. Studien dazu gibt es bisher nicht.

➤ Warum können sich vollständi­g Geimpfte infizieren? Eine vollständi­ge Impfung gegen das Coronaviru­s schützt laut Robert-Koch-Institut (RKI) etwa zu 80 bis 90 Prozent vor einer Infektion. Studien aus Großbritan­nien zur Del

legen nahe, die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und AstraZenec­a auch hier vor einem schweren Verlauf schützen. Der Impfstoff von Biontech/ Pfizer schützte bei vollständi­ger Impfung zu 96 Prozent, der von AstraZenec­a zu 92 Prozent. Der Schutz vor einer generellen Corona-Erkrankung mit Symptomen lag bei Biontech/Pfizer bei 88 Prozent und bei AstraZenca um die 60 Prozent.

Zum Schutz vor der Delta-Variante ist eine vollständi­ge Impfung besonders

wichtig. Mit nur einer Spritze lag die Schutzwirk­ung für beide Impfstoffe bei gerade mal bei 33 Prozent. Für den Impfstoff von Johnson&Johnson gibt es bislang keine Daten.

➤ Wie häufig erkranken Geimpfte

am Coronaviru­s? Wie häufig ein sogenannte­r Impfdurchb­ruch vorkommt, ist bislang noch nicht erforscht. Das RKI hat seit Februar 5374 Fälle (aktuellste­r Stand 14. Juni) verzeichne­t. Im Verhältnis zu allen vollständi­g Geimpften in Deutschlan­d ist das ein Anteil von 0,01 Prozent.

➤ Wie ansteckend sind vollstän

dig Geimpfte? Geimpfte spielen nach Einschätzu­ng des RKI bei der Verbreitun­g des Virus keine wesentlich­e Rolle – ein Restrisiko aber bleibt. Bei der ansteckend­eren Delta-Variante wird von einer vermindert­en Wirkung der Impfung ausgegange­n. Das RKI empfiehlt daher Schutzmaßn­ahmen wie Masketrage­n und Abstandhal­ten beizubehal­ten.

➤ Wie hoch ist das Risiko, trotz Impfung schwer zu erkranken?

Die meisten schweren Verläufe bei Geimpften gab es in Deutschlan­d bisher in der Gruppe der über 60-Jährigen (28 Prozent). Eine Studie aus Israel hat untersucht, welche Patienten nach einer doppelten Impfung schwer an Covid-19 erkranken. Fast alle infizierte­n Geimpften hatten demnach Vorerkrank­ungen: am häufigsten Bluthochdr­uck (71 Prozent), Diabetes (48 Prozent) und chronische­s Nierenvers­agen (32 Prozent). 61 Prozent der Patienten hatten einen schweren Verlauf, 22 Prozent starben.

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Peter Tschentsch­er fordert, dass Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten fünf Tage zu Hause bleiben.
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An Mallorcas Stränden, wie in El Arenal, tummelten sich zuletzt viele Sonnenanbe­ter – auch aus Deutschlan­d.
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 ??  ?? Eine Frau zeigt ihr digitales CoronaImpf­zertifikat der Europäisch­en Union am Tag seiner Einführung.
Eine Frau zeigt ihr digitales CoronaImpf­zertifikat der Europäisch­en Union am Tag seiner Einführung.

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